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Kurz, positiv, ironisch

Die Macher von Jugendnachrichten sind begehrter als ihre Spots

  • Lesedauer: 3 Min.

Foto: Ursula Stamm

Montagstreff bei Sinnflut

Von Ursula Stamm

Durch die Decke schallt Rockmusik. Eine Band übt im Jugendzentrum an der Grenzallee in Neukölln, Im darunterliegenden Raum klingen andere Töne: »Ich finde, der erste Teil ist zu lang. Kannst du das nicht in zwei, drei Sätzen sagen?«. Kritisiert, überarbeitet und erprobt werden in diesem Raum Texte. Kurztexte, sogenannte Spots, von jungen Leuten geschrieben, die für die Jugendnachrichtenagentnr »Sinnflut« arbeiten.

Jeden Montag ist Redaktionssitzung. Jette König, die vor einer Woche ihr freiwilliges ökologisches Jahr bei »Sinnflut« begann, hat eine Reihe Themenvorschläge in der Hand: Spots über eine Freie Schule in Barnim, ein Kommuneprojekt

in England oder die Arbeit des Naturschutzbundes. »Uns werden von allen Seiten Projekte und Themen zugeschickt, weil wir schon einen Namen haben«, erzählt sie. »Sinnflut« versteht sich als Informationsquelle für innovative Projekte und Ideen im ökologischen und sozialen Bereich. Ein Modell mit internationalem Vorbild in den USA, England, Afrika und Australien.

Im März 1995 auf dem Jugend-Künstler-Klima-Gipfel in Berlin gegründet, wollen sie mit ihrem Journalismus »weg von der Betroffenheitskultur«. Gerade bei ökologischen und sozialen Themen würde häufig nur mit Negativschlagzeilen auf Mißstände reagiert, statt zu agieren, meint Ephraim Broschkowski, seit einem Jahr bei »Sinnflut«. »In erster Linie finde ich es wichtig, daß es zu einer anderen Berichterstattung kommt«, beschreibt er

seine Motivation, jeden Montag herzukommen. Die Spots haben daher ein ganz besonderes Format: kurz, positiv formuliert, ironisch verfremdet und das Thema nur vorstellend, um zu weiterer Recherche einzuladen.

Die kostenlosen Spot-Angebote sind bislang schon von einigen Tageszeitungen wie »Frankfurter Rundschau« oder »Süddeutsche Zeitung« abgedruckt worden. Stadtmagazine wie »Zitty« oder »Prinz« und auch zahlreiche Öko-Magazine bringen regelmäßig Kurzmeldungen von »Sinnflut«. Unterm Strich hat das Team aber feststellen müssen, daß das journalistische Interesse fast mehr auf ihr Projekt selbst gerichtet ist als auf die Weiterverbreitung der Spots. Nachrichten, die von Jugendlichen gemacht werden, in ungewöhnlicher Form und jenseits des alltäglichen Themenkatalogs diese Kombination ist offensichtlich exotisch genug, um Journalisten neugierig zu machen.

»Sinnflut« produziert neben den gedruckten Kurzmeldungen inzwischen auch sendefähige Spots für den Hörfunk, die in der Landesbildstelle Berlin kostenlos hergestellt werden können. Die europaweit einzige Jugendnachrichtenagentur ist nicht nur in diesem Fall auf Unterstützung angewiesen. Der Raum im Jugendzentrum an der Grenzallee, inklusive Computerausrüstung, wird mietfrei zur Verfügung gestellt. Sponsoren wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Drehscheibe Kinderpolitik und die Stiftung Naturschutz tragen die restlichen Kosten. »So schnell haben wir noch nie so viele Sachen verabschiedet«, resümiert Ephraim den Verlauf der Redaktionssitzung. Da bleibt noch Zeit, um in der neu aufgebauten Datenbank nach Adressen für weitere Recherche zu sehen oder einfach ein Bierchen trinken zu gehen.

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