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Der Arbeitslose

  • Peter Maiwald
  • Lesedauer: 2 Min.

Arbeitslosigkeit, so ein Quatsch, wenn ich das schon höre, gibt's doch gar nicht. Nehmen Sie mich. Ich habe genug zu tun. Ich bin arbeitslos.

Morgens stehe ich früh auf und beschäftige das Arbeitsamt. Die Leute tun mir leid. Was täten die denn, gäbe es nicht Leute wie mich? Ich beschäftige sie. Ich bin ihr Arbeitgeber

Und diese Angst, die ich in ihren Augen sehe, wenn ich früh beim Arbeitsamt aufkreuze. Sicher haben sie wieder die Morgenzeitung gelesen, worin von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit die Rede ist, was die Leute, die im Arbeitsamt beschäftigt sind, natürlich bedroht. Sie tun mir leid. Ich und meine Anwesenheit machen ihnen Mut.

Danach gehe ich unvermittelt nach Hause und schreibe meine Bewerbungsschreiben. Damit sichere ich Arbeitsplätze in der Papierindustrie, bei der Post, und, wenn meine Briefe zurückkehren, bei der Müllabfuhr. Damit habe ich bis zum Mittagessen genug zu tun.

Danach koche ich eine Mahlzeit für meine Familie, billig und sparsam, versteht sich, was möglicherweise die Lebensmittelindustrie und den Einzelhandel beunruhigt, aber meine Frau entlastet und geradezu in die Emanzipation treibt.

Danach lege ich mich ein Stündchen aufs Ohr, rede nichts, höre nichts, sehe

nichts und leiste damit meinen staatsbürgerlichen Widerstandsbeitrag gegen die Reizüberflutung unserer Gesellschaft. Daß wir uns zu Tode amüsieren, soweit kommt's noch! Ich bin arbeitslos, aber nicht müßig.

Danach verbringe ich den Nachmittag mit meiner Kosten-Nutzen-Rechnung. Wieviel koste ich die Gesellschaft, und wieviel nutze ich ihr? Das Ergebnis ist immer wieder überraschend. In meinen Berechnungen gehe ich auf.

Danach mache ich mich bis zum frühen Abend an die Reparatur der längst fälligen Reparaturen, womit ich ganze Zweige unseres Handwerks wieder in Lohn und Brot setze, die reparieren, was ich repariert habe.

Freizeit kenne ich als Arbeitsloser nicht. Frühabends verfolge ich die Tagesschau, damit ich die Nachrichten von den jeweiligen Aufschwüngen nicht verpasse oder die Reden des Arbeitsministers. Wie sollte ich sonst wissen, daß es mir besser geht?

Den Rest des Abends bis in die Nacht habe ich genug zu tun. Ich arbeite als Statist beim Fernsehen, das heißt, ich sitze davor als Zuschauer und sichere damit Arbeitsplätze in unseren Sendeanstalten.

Dann gehe ich nach einem arbeitsreichen Tag zu Bett. Arbeitslosigkeit? So ein Quatsch! Wenn ich das schon höre. Gibt's doch gar nicht. Arbeitslosigkeit - das ist eine Erfindung von Leuten, die nichts zu tun haben, aber ja doch!

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