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Rodewisch steht auf der Matte
Das Städtchen im Vogtland stieg in die 1. Bundesliga auf- Henry Stöhr ist dabei
Der 130-kg-Mann Henry Stöhr Foto: Archiv
Von Wolfgang Richter
Einige Zeit vor dem Halbfinal-Spitzenkampf letzten Sonnabend um den Judotitel zwischen dem SC Berlin und dem TSV Abensberg (2:7) war Jugendstunde. Da standen sich auf der Matte die Eleven vom SC Berlin und Marzahner SV gegenüber. Am Ende hieß es 7:5. Danach reihten sich die besten Kinder und Jugendlichen der Vereinsmeisterschaft des SCB auf der Matte auf, und der Olympiadritte im Schwergewicht, Frank Möller, gratulierte. Randgeschehen, vom Publikum, das überwiegend wegen des Hauptkampfes in die Halle gekommen war, kaum zur Kenntnis genommen.
Den Jugendkampf hatte Karl Nitz geleitet. Der heute 64jährige war 1963 Europameister, später Trainer und ist jetzt Übungsleiter »aus Liebe zur Sache« in Hoppegarten, wo das Leistungszentrum des DDR-Judosports war. »Mit dem Nachwuchs gibt es überhaupt keine Probleme«, sagt er, »eher mit fehlenden Übungsleitern, um die Kinder und Jugendlichen zu betreuen.« Der Marzahner Nachwuchs wird übrigens von Ex-Weltmeister Axel Preschel betreut.
Im Hauptkampf stand auch Henry Stöhr auf der Matte. Der Olympiazweite von 1988 startete einst für die Berliner, kämpfte aber jetzt gegen seine einstigen
Mannschaftskameraden für Abensberg. Zu Hause ist er im Vogtland. Das bringen die neuen Verhältnisse so mit sich. Der Koloß mit 130 kg Gewicht hat sich in Unterhainsdorf ein Haus gebaut und fährt täglich, wenn er nicht für seinen bayerischen Verein auf die Matte muß, die 15 km rüber nach Rodewisch. Dort hat er es auch mit Kindern und Jugendlichen zu tun und bestätigt die Berliner Erfahrung: »Mit dem Nachwuchs gibt es kein Problem. Von den über 300 Mitgliedern unseres Vereins sind 250 Kinder oder Jugendliche.« Und Henry ist ihr Trainer
Er trainiert aber auch die Männermannschaft des Judovereins Ippon Rodewisch. Und die schaffte mit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga eine Sensation. Mit Beginn der neuen Saison wird Stöhr in seiner Mannschaft das Schwergewicht besetzen. »Unser Ziel kann nur sein, nicht abzusteigen. Dazu müssen wir drei Kämpfe gewinnen«, sagt er An Unterstützung wird es nicht fehlen, denn Judo ist in Rodewisch die Sportart Nummer 1 und zugleich die einzige, die das Vogtland in einer 1. Bundesliga vertritt.
In jeder der drei Schulen der Stadt steht im Sportunterricht Judo auf dem Programm, erzählt Heinz Kölbel, der Judovater des Vogtlandes. Er führte diesen in den 50er Jahren hier noch völlig unbekannten Sport ein. »Der Kölbel Heinz? Bei dem hab' ich als Kind angefangen«, sagt Henry Stöhr, der 1993 mit WM-Bronze seine Auswahleinsätze beschloß. Diese
beiden, Kölbel und Stöhr, sind das Rückgrat von Ippon Rodewisch. Sie scharen etliche Talente aus eigener Schule und Judokas anderer Vereine, die im Vogtland eine neue Heimat fanden, um sich.
Hans-Herbert Luderer, sechsfacher DDR-Meister, kam aus Frankfurt/Oder zurück und arbeitet als Trainer Etliche Nachwuchskader, die in ihren Klubs kaum Einsatzchancen haben, wie Nils Krüger (Frankfurt/Oder), Jan Buchner oder Rene Friedrich (beide Leipzig), starten für Rodewisch. Mit dem Rumänen Ivan Radu, WM- und Olympiastarter, zählt neben Stöhr ein erfahrener Kämpfer zur Mannschaft. Laut Kölbel gibt es kaum Besetzungsprobleme, da selbst aus Rüsselsheim und Abensberg Mitgliedsanträge vorliegen. »Dabei spielt Henrys Sympathiebonus eine große Rolle«, erklärte Kölbel, »und das Umfeld stimmt auch bei uns.« Er erläutert. Da ist eine nagelneue Großsporthalle mit 200 m 2 Mattenfläche fürs Judotraining. Henry Stöhr ist hier halbtags als Sportkoordinator angestellt. Und - man höre und staune - es gibt keinen Mangel an Sponsoren.
Auch da spielt die Popularität des Henry Stöhr eine besondere Rolle. »Zum Beispiel möchte der Direktor der Schmidt-Bank Henry Stöhr einen Scheck mit einer größeren Summe für den Verein überreichen. Einzige Bedingung: Er will zusammen mit Stöhr für die Zeitung fotografiert werden«, erzählt Kölbel ein Beispiel. Wenn's überall so einfach wäre...
Auf jeden Fall bietet Rodewisch gute Bedingungen für den Judosport. Nun muß der Neuling in der Bundesliga nur noch gute Gegenleistungen erbringen.
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