An Brechts Grabstein möchte jeder Hund pinkeln
Kunstgeschichte auf Dorotheenstädtischem Friedhof Von Margret Scholtyssek, dpa
Grabsteine aus drei Jahrhunderten auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof Foto: dpa/Mittenzwei
Das Grab von Heiner Müller ist noch schmucklos. Auf der lockeren Erde, umrahmt von einem schlichten Steinrand, liegen nur ein paar rote Rosen. Eine gußeiserne Stele ist in Arbeit. Mit dem Dramatiker Müller setzt sich die bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts zurückreichende Reihe prominenter Namen auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof fort.
Der idyllische Ort in Mitte ist ähnlich wie der berühmte Pere-Lachaise in Paris letzte Ruhestätte für bedeutende Dichter, Komponisten, Baumeister, Philosophen, Politiker und Unternehmer. »Die Grabsteine lesen sich wie ein Who is Who Berlins«, meint Landeskonservator Jörg Haspel. Gleichzeitig seien alle Facetten der Grabmalkunst seit Beginn des 19 Jahrhunderts vertreten. »Es gibt keinen Ort in Berlin, wo Kunstgeschichte in einer derartigen Dichte versammelt ist wie hier.« Ein prunkvolles Mausoleum in ägyptischem Stil, tempelartige Überdachungen, ein Grabmal in Form eines altrömischen Sarkophags, Eisenkreuze oder auch nur schlichte Steine sind zu finden.
Bescheiden ist das Grab des Dramatikers Bertolt Brecht (1898-1956) und seiner Frau Helene Weigel (1900-1971). Brecht wünschte sich einen gewöhnlichen Stein, »an den jeder Hund pinkeln möchte«. Schlicht ist auch der Steinqua-
der für den Komponisten Hanns Eisler (1898-1962). In der Nähe Legt die Schriftstellerin Anna Seghers (1900-1983) in einer Sondergrabanlage der Akademie der Künste. Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) ruht efeuüberrankt an der Seite von Johann Gottlieb Fichte (1762-1814).
Der 1762 gegründete Friedhof, auf dem auch preußische Minister und der Berliner »Lokomotivenkönig« August Borsig (1804-1854) bestattet sind, war zu DDR-Zeiten sehr beliebt. Das im Zwei-
ten Weltkrieg stark zerstörte Areal wurde gepflegt und 1983 unter Denkmalschutz gestellt. Wichtige Gräber wurden seitdem restauriert.
Bedeutende Bildhauer und Baumeister des 19 Jahrhunderts, die auch hier begraben sind, schufen eine Reihe von Denkmälern. Gegenüber von Müllers letzter Ruhestätte in einer Birkenallee liegt das Grab des bedeutendsten Architekten des preußischen Klassizismus, Karl Friedrich Schinkel (1781-1841). Neu ist das Grabmal für den Baumeister Friedrich August Stüler (1800-1865). Seine Grabstätte, die 1945 zerstört wurde, ist jetzt durch eine Konstruktion aus dunkelblauen Stahlpfeilern und goldenen Bögen ersetzt worden. Das älteste Grab des Friedhofs ist an einer großen Urne auf einem Podest zu erkennen. Hier ruht seit 1807 der »Bürger und Lederfabrikant« Johann Jacob Fröhlich.
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