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? »Moderne« -Schlagwort oder Begriff?

  • Lesedauer: 2 Min.

Der Begriff der »Moderne« ist für die Autoren des »Kommentars« offenbar von zentraler Bedeutung, obwohl er, wie sie einräumen, «im Umfeld der PDS« »heftigste Auseinandersetzungen« hervorgerufen hat (25). Eine solche Reaktion erscheint mir freilich mehr als gut verständlich.

Schon die zeitliche Einordnung der »Moderne« durch M. Brie (26/27) - Ende des 18., Beginn des 19 Jh. als Anfang -

ist höchst fraglich. Die Grundstrukturen der »Moderne« (wenn wir dieses Wort als Arbeitshilfe einmal akzeptieren wollen): Geldwirtschaft und Marktökonomie, zentralisierter, bürokratischer Territorialstaat, rechtliche und politische Bindungen der Staatsgewalt durch Gerichte und Ständevertretungen, »bürgerliche« Gesellschaft und Kultur mit rationaler Philosophie, empirischer Naturerforschung und dem seiner selbst bewußten Individuum in Wissenschaft, Literatur und Kunst haben ihre Wurzeln teilweise schon im hohen und späten Mittelalter

Oder waren etwa Bocaccio (14.Jh.), Pico de la Mirandola (15. Jh.). Aretino (16. Jh.) keine »modernen« Geister? Ganz zu schweigen von Machiavelli oder Hobbes! Die Gesellschaft des 15.-18. Jh. schlichtweg als »vormodern« zu bezeichnen, ist schierer Schematismus, der fatal an die Dogmen des Marxismus-Leninismus erinnert. Es ist höchst bedauerlich, daß die Autoren des »Kommentars« die Arbeiten der marxistisch inspirierten Historikerin und Politologin H. Gerstenberger offenbar nicht kennen, die den Entwicklungsprozeß der »politischen Moderne« gerade dieser Epoche detailliert erforscht hat.

Wenn Brie schließlich dekretiert (27), daß »der Begriff Kapitalismus auf die Herrschaftsverhältnisse der gegenwärtigen Gesellschaft zielt, ... der der Moderne auf die besondere Bewegungsweise dieser Gesellschaft«, dann scheint mir das völlig verfehlt zu sein. Die Dynamik der »Moderne« entfaltet sich in einem komplexen Prozeß, in dem sich Ökonomie, gesellschaftliche Strukturen, politische und rechtliche Institutionen und kulturelle Entwicklung miteinander verknüpfen; und in diesem Prozeß war und ist der sich allmählich entfaltende Akkumulations- und Verwertungsprozeß des Kapitals eine entscheidende Triebkraft. »Kapitalismus« auf »Herrschaftsverhältnisse« zu reduzieren, ist ein Mißverständnis (gelinde gesagt), wie es gröber kaum denkbar ist. Der Versuch, mit einer neuartigen Theorie der »Moderne« (Brie, 33-35, aber auch Klein, 142-144) die an Marx orientierte materialistische Kritik der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zu ersetzen oder zumindest zu »revidieren«, scheint mir vollständig mißlungen zu sein.

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