Eine Frau, die niemals aufsteckt

ASSE aus dem Osten damals und heute: Kristina Richter

  • Lesedauer: 4 Min.
Zu DDR-Zeiten 235-fache Nationalspielerin - heute Handball-Trainerin des Berliner TSC/Olympia in der Berlin-Brandenburg-Liga
Kristina Richter-Hochmuth (Foto: Imago), die am 24. Oktober ihren - pardon - 55. Geburtstag begeht, bestritt 235 Handball-Länderspiele mit der DDR-Auswahl. Sie steht damit in einer gesamtdeutschen Rangliste an siebenter Stelle hinter Michaela Erler (Dortmund/ 285), Petra Kahnt-Uhlig (Leipzig/284), Evelyn Matz-Hübscher (Frankfurt/Oder/ 279), Katrin Krüger-Mietzner (Frankfurt/ Oder/260), Silvia Schmidt (Dortmund/ 240) und Sabine Picken-Adamik (Magdeburg/Bremen/236). Bei den Olympischen Spielen holte sie mit der DDR-Auswahl Silber (Montreal 1976) und Bronze (Moskau 1980), gewann drei Weltmeistertitel (1971, 1975, 1978) und drei Europapokale (einmal als Meister) mit dem TSC Berlin.
Seit nahezu 22 Jahren übt sie ein Traineramt aus, zwischenzeitlich beim DHB und beim Berliner Handball-Verband, vor allem aber bei den Frauen des Berliner TSC/Olympia. Eine Mannschaft, die einst als Zweitliga-Team gleich um zwei Klassen absteigen musste und jetzt in der Berlin-Brandenburg-Liga spielt.

Sie wurden unlängst für Ihr langjähriges Engagement mit der Goldenen Ehrennadel des HVB geehrt, der höchsten Auszeichnung des Berliner Verbandes. Wie war Ihre Reaktion?

Ich war total überrascht. Es ist meine erste Auszeichnung nach der Wende.
Nach dem durch Versäumnisse der TSC-Handballfunktionäre verschuldeten Abstieg aus der 2. Bundesliga hätten Sie allen Grund gehabt, dem TSC den Rücken zu kehren.

Warum halten Sie ihm noch immer die Treue?

Der Berliner TSC ist mein Verein, und die erste Handball-Frauenmannschaft gehört zur Visitenkarte des TSC.

Wie sehen jetzt Ihre sportlichen Ziele in der unterklassigen Liga aus?

Zunächst einmal wollen wir in der Berlin-Brandenburg-Liga ganz vorn mitspielen. Jeder denkt hier auch an den Aufstieg. Aber um in den höheren Klassen mitspielen zu können, benötigt man Sponsoren. Ich möchte nicht noch einmal in eine solche finanzielle Misere geraten.

Ihr Traineramt ist praktisch eine ehrenamtliche Tätigkeit. Was machen Sie eigentlich beruflich?

Ich bin jetzt als Lehrerin an einer Grundschule in Glienicke. Dort unterrichte ich hauptsächlich im Fach Sport.

Nach der Wende zogen sich viele Ehemalige zurück. Wie war das bei Ihnen?

Es war eine harte Zeit. Als Angestellte des DTSB wurde ich entlassen und war arbeitslos. Dann folgten ABM-Stellen. Doch ein Aufstecken gab es für mich nicht.

Mit 235 Länderspieleinsätzen für die DDR-Auswahl gehören Sie zu den Top-Nationalspielerinnen. Hat das heute noch irgendeinen Stellenwert für Sie?

Das alles war zwischen 1965 und 1980 und liegt schon lange Zeit zurück. Natürlich stecken dahinter Erinnerung an Entbehrungen, aber auch viele schöne Erlebnisse, die einem keiner nehmen kann.

Zum Beispiel...

Die Teilnahme an den Olympischen Spielen und der Gewinn der Weltmeisterschaft gehörten zu den schönen Seiten.

Und die bitterste Niederlage?

Das war das Ausscheiden nach der Vorrunde bei der WM 1973 in Jugoslawien.
Im Dezember findet in Italien ohne Deutschland die nächste Frauen-WM statt.

Ist die deutsche Nationalmannschaft wirklich so schwach?

Das würde ich so nicht sehen. Aber für mich war eine Berufung in die Auswahl immer eine Auszeichnung. Das ist heute offenbar bei vielen nicht mehr der Fall. Hinzu kommt, dass es an der Kontinuität fehlt. Ich will nur den häufigen Wechsel im Auswahltraineramt nennen. Bei den Männern läuft das besser. Sie haben allerdings im DHB und in den Medien auch ein anderes Gewicht.

Sind Sie gelegentlich noch im Handball auf dem Hallenparkett aktiv - nicht nur als Trainerin?

Ja, im Dezember wird in Berlin immer ein Oldie-Turnier veranstaltet. Da bin ich stets dabei - zusammen mit anderen in die Jahre gekommenen Handballerinnen des früheren Berliner TSC.

Die Richter-Familie, so sagt man, ist eine sportliche. Was heißt das?

Alle gehören dem Berliner TSC an. Mein Mann Dagomar ist im Radsport tätig, auch Sascha (20 Jahre) ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten, und Angela (27) hat sich dem Handball verschrieben.

Gespräch: Horst Lang
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