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Kant, Klopse, Königsberg

Bonner Politik ist eingebunden in »nicht signifikant rechtsextremistische« Netzwerke »Einzelfall« Roeder

  • Lesedauer: 7 Min.

Von Rene Heilig

Leserbrief an ND: »Ich danke der Bundeswehr, daß sie das Wort Königsberg noch buchstabieren kann.« Rühe solle, statt Generale zu feuern, selbst nach Königsberg fahren und helfen. Der Absender stammt aus Königsberg, spielte als Junge auf der Dom-Orgel und fährt alljährlich mehrmals zu Besuch nach Kaliningrad. »Deutsche wie Russen brauchen uns.« Der Leser beschreibt, wie Brautpaare nach der Hochzeit am Denkmal für den deutschen Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant Blumen niederlegen. Kant schrieb den »Ewigen Frieden«. Genau darum geht es Roeder und Genossen nicht. Einblicke.

Noch bis Ende März wird im Ostpreußischen Landesmuseum eine Kabinettausstellung »Otto Steinfatt. Ein Pionier der modernen Vogelkunde« gezeigt. Ja und? Erstens: Das Museum liegt nicht, wie Unbedarfte vermuten könnten, irgendwo am östlichen Ostseestrand sondern in Lüneburg. Und zweitens: Dort finden auch ganz andere Veranstaltungen statt. Beispielsweise ein Diaabend des Schulleiterehepaars Dr. Hartwig und Ursula Thieme. Zwischen 1993 und 1995 unterrichteten die beiden an einer deutschsprachigen Schule »in Trakehnen«, das jetzt russisch Jasnaja Poljana heißt. Aber es sei einfach eine Ungehörigkeit, »dem Ostpreußischen Landesmuseum rechtsextremistische Tendenzen zu unterstellen«, sagt die Bundesregierung. Die Veranstaltung habe lediglich »informativen Charakter ohne politisch extremistische Tendenzen« gehabt.

Na - kommt da wem die Entschuldigung der Hamburger Bundeswehrakademie in den Sinn? Auch dort hielt der Naziterrorist und Ostlandritter Manfred Roeder ganz sachlich Vortrag.

Nein, ein Vergleich der Thiemes mit . .Raeder...is.t...w.eithin unzulässig. Die monatlichen Veranstaltung im Museum dienten auch lediglich dazu, Interessierten Kenntnisse über Ostpreußen nahezubringen. Die Pflege einer jahrhundertelangen deutschen Geschichte in Ostpreu-ßen sei die »selbstverständliche Verpflichtung einer Kulturnation«, schrieb das Innenministerium an die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke. Das Landesmuseum habe sogar eine »Musterfunktion«. So erklärt das Kanther-Ministerium, daß es in den vergangenen zehn Jahren nach Lüneburg 19 Millionen Mark überwiesen hat. Das SPD-regierte Niedersachsen öffnete dem Museum seine Kassen ebenfalls.

»Im Rahmen ihrer Möglichkeiten« trage die Bundesregierung durch »gezielten Einsatz« von Haushaltsmitteln dazu bei, »im Interesse der historischen Wahrhaftigkeit Forschungen zu fördern, die Voraussetzungen, Umfang und Folgen von Flucht und Vertreibung infolge des Zweiten Weltkrieges zum Gegenstand haben«. Es gibt sogar ein Aktionsprogramm aus dem Hause Kanther zur Förderung der deutschen Kultur des Ostens in den Jah-

ren 1994 bis 1999, das der Bundestag am 16. April 1996 zustimmend zur Kenntnis genommen hat. Und da will der undankbare Nazi Roeder, »daß sich die ganze Bundesregierung den Hals bricht«?!

Zurück zu den Lichtbildern der Thiemes und warum sie dennoch mit Roeder zu tun haben. Das Paukerpaar diente an einer Schule, die dem am 8. August 1992 in Husum gegründeten »Schulverein zur Förderung der, Rußlanddeutschen in Ostpreußen e. V« gehört. Der 600-Mitglieder-Verein, der auch für entsprechendes Lehrmaterial in »Ostpreußen« sorgt, mauschelt mit einer Aktion namens »Deutsches Königsberg«. Die besteht seit 1991 und untersteht einen Herrn Dietmar Mum'er, seines Zeichens Verleger und Buchhändler aus Kiel. Der Geldbeschaffer und Rechtspropagandist hat eine Fülle in sich verwobener Firmen aufgebaut: Lesen & Schenken; den Arndt-Verlag, der Mitglied im Norddeutschen Verlegerverband ist, und wie Roeder lobte, »Pionierdienste in den geraubten Ostgebieten geleistet hat«; den Orion-Heimreiter-Verlag; Bernstein-Reisen für Heimwehtouristen; die Kieler Rathaus-Buchhandlung GmbH; Aktion »Heim für Rußlanddeutsche« sowie die Gesellschaft zur Siedlungsförderung in Trakehnen mbH.«

Munier kommt aus dem »Bund Heimattreuer Jugend e.V«, einem Konkurrenzunternehmen der »Wiking-Jugend«. In seinem Versandhandel findet man Gedrucktes von Otto Ernst Remer. Der Wehrmachtsknappe, der die Männer vom 20. Juli an die Wand gestellt hat und dafür

das Ritterkreuz bekam, war bis zu seinem kürzlichen Ableben ein fanatischer Nazi. Unter anderem ist er Mitbegründer des »Freundeskreises Ulrich v Hütten e. V«, der beispielsweise in Altenburg/Sachsen gemeinsam mit der »Deutschen Kultur-

ND-Karte: Wegener

gemeinschaft« Unwesen treibt. Sachsen hat eine mitgliederstarke NPD und Bundeswehrkasernen, deren Insassen sich immer weniger als demokratische Staatsbürger in Uniform zeigen.

Ein erster Schritt zur Rückgewinnung der ehemals deutschen Ostgebiete, so wird in »Huttenbriefen« betont, sei die Bereitstellung von Kapital für Kulturstät-

ten in Ostpreußen. Damit die herangekarrten Rußlanddeutschen Orte der Gemeinsamkeit erhalten. Versprochene Wohnungen sind nicht so wichtig. Kalkül: Wer keine hat, überlegt, ob der angestammte Nachbar seine behalten darf. Es sammelt eine »Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur e. V.«. Eine vermutete Munier-Tochterfirma mit Baugerät besteht in Jasnaja Polnaja, einst Trakehnen. Andere werden folgen, geht es nach den »Wirtschaftsjunioren Osteuropa« in der »Jungen Landsmannschaft Ostpreu-ßen«. Das Rechtsblatt »Junge Freiheit« würdigt diesen Ehrgeiz, Bonn fördert ihn mit Steüermitteln.

Munier bietet - um die Liste der Vertriebsstücke in Deutschland fortzusetzen - auch DVU-Chef Gerhard Frey, David Irving und Leon Degrelle an. Natürlich kann man sich auch Videos über die »Führergeburtstage 1933-1945« schikken lassen. Die von rechten Schlägern mehrfach bedrohte Buchautorin Franziska Hundseder berichtet, in Berlin betrieb ein Mann namens Panteleit das Vertriebsgeschäft. Der Ex-Republikaner, der sich auch für die verbotene Deutsche Alternative stark machte, hat mit dem »Bildungswerk Hoffmann von Fallersleben« zu schaffen. In dem hocken weniger Literaturfreunde als vielmehr harte Kerle aus dem Kühnen-Nachlaß, von der FAP und der Nationalen Alternative. Sagt man.

Munier hat intime Beziehungen zur GST, der »Gesellschaft für Siedlungsförderung in Trakehnen«. Die ist angeblich der größte Arbeitgeber im Gebiet. Freilich

nur für aus Kasachstan und anderen exsowjetischen Dörfern »heim«geholte Rußlanddeutsche. Um die 20 000 sollen inzwischen dort leben, angelockt von der Nähe zum gelobten Westen sowie von jeder Menge falscher Versprechungen.

Die gab auch Manfred Roeder ab. Spätestens seit seiner Begegnung mit dem in Dänemark untergetauchten Naziagitator Thies Christophersen Anfang der 70er Jahre, kämpft er für »die Heimholung der geraubten Gebiete ins Reich«. Seit 1992 spannte er sich vor denselben Karren wie Munier, schließlich hätten seine Vorväter irgendwann einmal bei Gumbinnen gewohnt. Roeder soll beste Auslandskontakte haben. Er knüpfte sie mit Altnazis, die 1945 vor den Alliierten geflohen sind. Roeder war in Südamerika und kennt angeblich südafrikanische Geschäftsleute. Der »Banditenschatz« läßt grüßen.

Aktuelle Zuwendungen, Spenden genannt, waren lange Zeit begünstigt, dank der Anerkennung seines »Deutsch-Russischen Gemeinschaftswerkes« als gemeinnützige Einrichtung. Stolz verschickte der auch als Chef der »Deutschen Bürgerinitiative e.V« bekannte Roeder Spendenbescheinigungen. Und er kooperierte mit anderen gemeinnützigen Organisationen. Buchautorin Hundseder erwähnt ein Salem-Netzwerk. Ganz christlich gehe es da zu, man sammle für Kinder- und Jugenddörfer, will Tiere schützen und die restliche Natur ebenso. Bio-Nahrung ist geradezu ein Muß bei Salem. Der Gründer, Gottfried Müller, war einst Agent der Canaris-Abwehr und ein Mann des SD-Führers Otto Skorzeny, der noch Jahrzehnte nach der Kapitulation des faschistischen Deutschland von Spanien aus Strippen zog.

Dank des »Deutsch-Russischen Gemeinschaftswerkes« stieg Salem auch in Ostpreußen ein. Bis zu einem Unfall arbeitet ein Salem-Mann in Kaliningrad, der auch im gemeinnützigen »Verein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Trakehnen« registriert sein soll. Der wiederum hängt angeblich mit einem Wiener Kulturverband zusammen.

Das alles hat Roeder seinen Zuhörern bei der Führungsakademie so sicher nicht erzählt. Das alles konnte man im Materialamt des Heeres selbstverständlich auch nicht wissen, als man Roeder ein paar ausrangierte Bundeswehrfahrzeuge schenkte. Nicht einmal aus diversen Verfassungsschutzberichten, in denen allerdings genug über die Gesinnung des ehemaligen Rechtsanwaltes, einst bei den Amis in Berlin angestellt und CDU-Mitglied.zu finden war. Und nicht mehr zu finden ist, denn die Roeder-Truppe war vom Verfassungsschutz in Köln inzwischen als »nicht signifikant rechtsextremistische« eingestuft.

Zudem war und ist Ostpreußenhilfe für nachgeordnete Bundeswehrdienststellen nichts Besonderes. Jüngst schaffte der Bundesmarine-Tender »Werra« Bücher von Olpenitz nach Ostpreußen. Die ließ CDU-Rechtsaußen Alfred Dregger sammeln. Die Bundeswehrbibliothek Dresden und die »Memellandhilfe« waren eifrig dabei.

Bereits 1992 ließ der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ottfried Hennig (CDU) jede Menge Material nach Königsberg, seiner Geburtsstadt, schaffen. Sogar zwei Lufttransportgeschwader mußten ran. Vermutlich lief alles politisch korrekt. Den Zusatz »wie immer« sollte man sich dennoch schenken. Hennig wurde in die Wüste geschickt, weil er vom Parlament untersagte Panzerlieferungen auf den Weg brachte. In den türkischen Krieg gegen die Kurden.

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