- Politik
- EE2S Kuoni kauft
Euro Lloyd
Neuer Riese für Geschäftsreisen entstanden Von Wolfgang Carst
Der Konzentrationsprozeß auf dem deutschen Reisemarkt setzt sich unvermindert fort. Jüngster Deal: Die Übernahme der deutschen Euro Lloyd durch den Schweizer Kuoni-Konzern.
Die Nachricht kam aus München und Frankfurt (Main) synchron: Die Schweizer Kuoni Reisen Holding AG übernimmt rückwirkend zum 1. Januar 1998 die deutsche Euro Lloyd Reisebüro GmbH. Während sich Karstadt und Lufthansa, die bisherigen Besitzer von Euro Lloyd (mit 51 bzw. 49 Prozent) mit einer knappen 20-Zeilen-Meldung begnügten, wandte der eidgenössische Reiseriese die fünffache Zeilenzahl auf, um der Öffentlichkeit den Deal zu erklären.
Mit der Übernahme, die noch kartellrechtlicher Genehmigung bedarf (an der aber nicht gezweifelt wird), mausert sich die deutsche Tochtergesellschaft des
Schweizer Weltkonzerns mit Sitz in München zu den fünf größten Geschäftsreise-Anbietern auf dem deutschen Markt. Die am 24. Februar in Zürich unterzeichneten Übernahmeverträge (über Summen wird sich ausgeschwiegen) sehen die Gründung einer neuen Firma unter dem Namen BTI Euro Lloyd vor. BTI steht dabei für die weltweite Allianz «Business Travel International«, der die Kuoni Reisen GmbH Deutschland bereits angehörte. BTI ist mit einem Jahresumsatz von rund 20 Milliarden US-Dollar der weltweit größte Verbund für Geschäftsreisen. Das Joint-venture verfügt über 55 nationale Partner in 65 Ländern und beschäftigt 28 000 Mitarbeiter BTI Kuoni deckt die zentraleuropäischen Länder Deutschland, Liechtenstein, Österreich, Schweiz und Ungarn ab.
Euro Lloyd, das im vergangenen Jahr etwa 900 Mitarbeiter beschäftigte und 110 Reisebüros in Deutschland unterhielt, erzielte 1996 einen Umsatz von 1,07 Milliarden Mark, davon 80 Prozent im Bereich Geschäftsreisen. Das 1953 als
Kühne und Nagel gegründete Unternehmen firmiert seit 1981 als Euro Lloyd GmbH. Die Kuoni GmbH, ebenfalls vorwiegend im Geschäftsreisesegment tätig, erreichte 1997 einen Umsatz von rund 350 Millionen Mark. Durch die jetzige Verschmelzung zur BTI Euro Lloyd mit Sitz in Köln entsteht ein Branchenriese, der sowohl über ein flächendeckendes Netz von rund 160 Geschäftsstellen in Deutschland verfügt als auch via BTI eine beachtliche internationale Präsenz aufweist.
Branchenkenner gehen von einem »geballten Marktauftritt« der neuen Firma aus. Nach beherrschenden Stellungen in der Schweiz und Österreich hat BTI Kuoni nun auch auf dem deutschen Markt ein gewichtiges Wort mitzureden. Schon früher hatte die deutsche Tochter des Kuoni-Konzerns mit Aufkäufen von sich reden gemacht, zuletzt im Dezember 1997 mit dem Interot Reisedienst in Augsburg. Die »Konzernmutter«, in der Schweiz börsennotiert, gehört mit einem voraussichtlichen Umsatz von vier Milliarden Schweizer Franken (1997) zu den größten Reiseunternehmen Europas.
Für die Lufthansa bedeutet der Verkauf von Euro Lloyd eine weitere Reduzierung des Reisebürogeschäftes, nachdem bereits die Hapag-Lloyd und der DER-Anteil an die Deutschen Bahnen veräußert worden waren. Die Karstadt AG will sich künftig mehr auf touristische Interessen als auf Geschäftsreisen konzentrieren.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!