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Stralauer Fischzug ohne Fischzug

Kein Geld für traditionelles Volksfest Von Bernd Kammer

  • Lesedauer: 3 Min.

Es klingt paradox: Der Stralauer Fischzug soll ohne den Fischzug stattfinden. Doch wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird das traditionsreiche Volksfest auf der Stralauer Halbinsel, dem südlichen Zipfel von Friedrichshain, in diesem Jahr auf seinen attraktivsten Bestandteil verzichten müssen. »Uns fehlt das Geld«, klagt Jürgen Zierholz von der Bürgervereinigung Stralau, die das wohl älteste Berliner Volksfest erst vor zwei Jahren wiederbelebt hatte. Damit es nicht vollständig ins Wasser fallen muß, soll es am 29./30. August in der abgespeckten Form ohne den Umzug über die Bühne gehen.

Grund für die Ebbe in den Festkassen ist ein handfester Streit zwischen Bürgervereinigung und der Wasserstadt GmbH, die als treuhänderischer Ent-

wicklungsträger die Bauprojekte auf der Halbinsel ankurbeln soll. Die Vereinigung wirft ihr vor, Sponsorengelder einbehalten oder sogar zweckentfremdet zu haben. Die Rede ist von einem sechsstelligen Betrag, den die Gesellschaft im Namen der Bürgervereinigung bei den Investoren auf der Halbinsel eingesammelt haben soll. Nur knapp 8000 Mark seien aber für das Fest im vergangenen Jahr eingesetzt worden. Vereinsmitglieder haben daraufhin Anzeige erstattet.

Uli Hellweg, Geschäftsführer der Wasserstadt GmbH, weist die Vorwürfe zurück. »Wir haben alles mit den Investoren abgerechnet und kein Geld zurückbehalten.« Allerdings habe man jetzt die Unterstützung für das Fest eingestellt. »Wir wollten in diesem Jahr ein Moratorium, um über das Konzept neu nachzudenken«, so Hellweg. Für ihn ist der Fischzug das wichtigste, weil traditionsreichste Volksfest überhaupt in Berlin, »aber der

Billigklamauk der vergangenen zwei Jahre wird dem einfach nicht gerecht.« Hellweg wünscht sich ein themenbezogenes Fest, das sich durch seine Schwerpunkte Wasser und historischer Fischzug von anderen unterscheidet.

»Das hätte er ja längst haben können«, wundert sich Jürgen Zierholz, »schließlich standen ihm dafür alle Mittel zur Verfügung.« Vielmehr argwöhnt die Bürgervereinigung, daß die Wasserstädter das Fest für eigene Interessen vereinnahmen wollen: »Die wollen es doch nur dafür einspannen, ihre Wohnungen meistbietend an den Mann zu bringen.«

Das Fest, dessen Ursprünge sich bis ins Mittelalter verfolgen lassen, lockte in den vergangenen beiden Jahren bis zu 80 000 Menschen aus ganz Deutschland an. 1996 schritt Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu dem Fischzug voran, 1997 schon der damalige Bundesbauminister Klaus Töpfer. Was hätte es in diesem Jahr für eine Steigerung geben können. Doch die Chance dürfte dahin sein. Die Wasserstadt GmbH wurde vor zwei Monaten aus der Burgervereinigung ausgeschlossen. Jetzt fehlen etwa 15 000 Mark, um das Fest komplett mit Umzug stattfinden zu lassen. »Wir wollen die Tradition nicht mehr abbrechen lassen und wenigstens ein unterhaltsames Kulturprogramm auf die Beine stellen«, meint Zierholz. »Und dann wird Luft geholt fürs nächste Mal.«

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