- Politik
- Vor 55 Jahren:
Die Rettung der dänischen Juden
Am 9 April 1940 waren deutsche Truppen in Dänemark eingefallen, um, wie aus Berlin verlautete, den »bewaffneten Schutz« des Landes zu übernehmen. Da das kleine nordische Land in den Eroberungsplänen Hitlers nur einen peripheren Platz einnahm und Dänemarks überrumpelte Führungselite Bereitschaft zur Kollaboration signalisierte, hielt man es auf deutscher Seite zunächst nicht für nötig, die dänischen Legislativ- und Exekutivorgane völlig auszuhebein und eigene Okkupationsbehörden zu inthronisieren. Dänemark blieb so faktisch »neutraler Staat« unter deutscher »Aufsicht«.
In Berlin sollte man allerdings bald erfahren, daß sich die Mehrheit der Dänen nicht zu willfährigen Mitläufern und
Handlangern degradieren ließ, vielmehr einen beeindruckenden Willen zu nationalem Zusammenhalt und Widerstand zeigte, der die Sorge um die im Land lebenden Juden einschloß. Die Regierung in Kopenhagen bestand in den Verhandlungen mit Berlin auf einer Verpflichtung von deutscher Seite, den auf dänischem Boden lebenden Juden keinen Schaden zuzufügen. Der Versuch, die in Dänemark lebenden Juden zum Tragen des »Judensterns« zu zwingen, scheiterte am Protest der dänischen Bevölkerung; auch König Christian X. intervenierte. Dänemarks Geistliche mahnten die Bürger des Landes, sich nicht von der antisemitischen Propaganda der Nazis verleiten zu lassen. Auf der berüchtigten Wannsee-Konferenz im Januar 1942 sprach sich denn auch Unterstaatssekretär Martin Luther als Vertreter des deutschen Auswärtigen Amtes dafür aus, die in den skandinavischen Ländern lebenden Ju-
den vorerst von der geplanten »Endlösung« auszusparen. Nach deutschen Schätzungen lebten in Dänemark 5700 und in Norwegen 1300 jüdische Bürger
Ende August 1943 jedoch bahnte sich ein Kurswechsel an. Die dänische Regierung unter Ministerpräsident Erik Scavenius hatte den deutschen »Wunsch« abgelehnt, zur Aburteilung sogenannter Saboteure Schnellgerichte einzusetzen und die Todesstrafe einzuführen. Daraufhin verhängte der deutsche Militärbefehlshaber im besetzten Dänemark, General Hermann von Hanneken, am 29. August 1943 den Ausnahmezustand über das Land. Der seit Herbst 1942 in Dänemark amtierende Bevollmächtigte des Deutschen Reiches, Werner Best, schlug nun Berlin vor, mit der Deportation der dänischen Juden zu beginnen. Als diese Absicht bekannt wurde, handelten die Dänen prompt. Vertreter nahezu aller Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen, selbst die dänische Polizei, beteiligten sich an der Organisierung von Fluchtrouten für ihre bedrohten jüdischen Mitbürger. Die schwedische Regierung willigte auf ein entsprechendes Ersuchen ein, alle in Dänemark lebenden Juden nebst Verwandten aufzunehmen. Die Evakuierung lief an. Am 30. September 1943 brachten dänische Fischer in einer Großaktion über 5000 Juden und
zahlreiche ihrer nichtjüdischen Verwandten über den stürmischen Öresund nach Schweden. Als 24 Stunden später deutsche Polizeiverbände auf Befehl von Rolf Günther, Eichmanns Beauftragter in Kopenhagen, ausschwärmten, waren die meisten dänischen Juden außer Landes in Sicherheit gebracht. Der deutschen Polizei fielen allerdings noch 472 Juden in die Hände, darunter zahlreiche Kinder; sie wurden ins Ghetto nach Theresienstadt deportiert.
Mochte man auch in Berlin die Angelegenheit damit als erledigt betrachtet haben, die Bevölkerung Dänemarks tat es nicht. Hilfspakete mit Nahrungsmitteln wurden nach Theresienstadt geschickt. Und das noch arbeitende dänische Au-ßenministerium übermittelte beständig Anfragen und Proteste an die entsprechenden deutschen Stellen. Immerhin konnten derart die dänischen Juden vor dem Abtransport nach Auschwitz bewahrt werden. Im Frühjahr 1945 erreichte man gar, daß sie in einen Transport des schwedischen Roten Kreuzes unter Graf Folke Bernadotte aufgenommen wurden, der noch vor Kriegsende skandinavische Staatsbürger aus deutschen KZ in die Freiheit nach Schweden brachte. Für 52 dänische Juden kam diese Hilfe dennoch zu spät
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