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j Telefonsex auf Landtagskosten

Morgen beginnt in München der Prozeß gegen den vermeintlichen Täter und Abgeordneten Hans Wallner Von Claudia Peter

  • Lesedauer: 2 Min.

Politisch ist sein Ende längst besiegelt. Hans Wallner, ehemaliger CSU-Landtagsabgeordneter aus Deggendorf, fiel bereits im Oktober 1997 bei der Aufstellungskonferenz in seinem Wahlkreis mit Pauken und Trompeten durch. Vor Gericht verantworten muß er sich erst morgen.

Der Vorwurf: Wallner soll von seinem Landtagstelefon aus auf Staatskosten für insgesamt 27 000 Mark Gespräche mit Sex-Dienstleistern geführt haben. Die Branchenanschlüsse heißen im Volksmund Stöhn-Nummern. Sie beginnen mit den Ziffern 0190 und führen zu freundlichen Damen, die auf den Caymaninseln sitzen können, auf den Niederländischen Antillen oder im Nachbarhaus. Der Clou: Die freizügigen Dienstleister und die

Deutsche Telekom AG teilen sich die Gebühren für die Online-Selbstbefriedigung. Und die sind happig: Bis zu 3,60 Mark pro Minute laufen auf dem Gebührenzähler des Kunden auf.

Hans Wallner aus Deggendorf war mehr als der übliche Verdächtige. Sein Sündenregister umfaßte unter anderem ein Techtelmechtel mit einer wegen Beihilfe zur Prostitution vorbestraften Österreicherin. Seit längerem galt wegen solcher Eskapaden in der CSU-Spitze die Devise, dieser Mann sei als Parteirepräsentant nicht vorzeigbar.

Doch an der Basis setzte er sich in drei Wahlperioden immer wieder durch. Landtagskollegen und Boulevardblätter waren sich denn auch schnell einig: Schuldig! Mandatsverlust und Anklage folgten auf dem Fuße.

Nur der Prozeß ließ auf sich warten. Zweimal wurde er verschoben, bis die

Landtagswahlen garantiert vorbei waren. Denn ganz' so einfach liegt die Sache nicht. Wochen vor Bekanntwerden der Affäre war es Computerhackern gelungen, ins Telefonsystem des Landtages vorzudringen und einen Anrufbeantworter zu manipulieren. Hersteller Siemens baute daraufhin eine zusätzliche elektronische Sicherung (»Firewall«) ein. Wallners Anwalt Sascha Prosotowitz ist überzeugt, daß auch sein Mandant Opfer von Hackern geworden ist. Zum Beweis führt er Verbindungsausdrucke an, nach denen Wallner die anrüchige Nummer in einem Fall dreizehn Stunden lang ununterbrochen im 8-Sekunden-Takt angerufen haben soll. Fazit des Anwalts: »Rein anatomisch unmöglich.«

Die Staatsanwaltschaft hat schon im Vorfeld zurückgeschlagen. Sie behauptet, mehrere der zuvorkommenden Damen hätten den Stammkunden an der Stimme erkannt. Für Siemens und die Telekom wäre es ein schwerer Schlag, wenn sich vor Gericht die Unschuld des hauptberuflichen Schwerenöters Wallner herausstellen sollte. Denn Dutzende von Telekom-Kunden reklamieren jedes Jahr weit überhöhte Rechnungen, die sie sich nicht erklären können. Bis jetzt jedenfalls. So hat der morgige Prozeßtag alles, was bei einem echten bayerischen Drama nicht fehlen darf: Sex & Crime & Kapital.

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