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  • Politik
  • m,u.»jjiu.i,iu Wann wird die

Polizei privatisiert?

Streit um Rechtsform des Maßregelvollzugs Von Marcel Braumann

  • Lesedauer: 2 Min.

Eine Mehrheit im Landtag verlangt von der SPD-Minderheitsregierung, die beabsichtigte Privatisierung des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter bis zum Vorliegen unabhängiger Gutachten nicht zu verwirklichen.

Aus dem Bernburger Maßregelvollzug suchten binnen sieben Monaten elf Straftäter das Weite. Daß es sich um psychisch Kranke bzw Medikamenten- und Drogenabhängige handelt, dämpft die öffentliche Aufregung nicht. Nachdem bekannt wurde, daß seit Jahresbeginn auf Gerichtsbeschluß eingewiesene Patienten in mehr als zwei Dutzend Fällen unerlaubt ferngeblieben sind, schlug die CDU-Landtagsfraktion Alarm. Es bildeten sich die üblichen Fronten, die Rechten (CDU/DVU) rückten das Sicherheitsbedürfnis der Anwohner in den Mittelpunkt, der CDU-Abgeordnete Adolf Spotka erinnerte an von Entwichenen anschließend begangenen Delikte wie versuchte Vergewaltigung und Körperverletzung. Die Linken (SPD/PDS) betonten das Ziel der Resozialisierung, Sozialministerin Gerlinde Kuppe sagte, es gebe zum Maßregelvollzug keine Alternative. Und manchmal finden Sicherheit und das Soziale gleichzeitig Berücksichtigung. So hätte es immer weitergehen können, wenn Kuppe nicht angekündigt hätte, den Maßregelvollzug zu privatisieren.

Mit dem Zauberwort »mehr Flexibilität« sollte dies schmackhaft gemacht werden. Das ging gründlich schief. ÖTV-Landeschef Manfred Bartsch polterte, wer so verfahre, »kann demnächst auch die Polizeiaufgaben auf private Wachdienste übertragen«. Sicherheitsprobleme in den Psychiatrien Bernburg und Uchtspringe, ebenfalls zur Privatisierung vorgesehen, seien auf unzumutbare Überbelegung und Personalmangel zurückzuführen.

Kuppe fand die Erregung deplaziert, schließlich werde der Maßregelvollzug der Salus GmbH übertragen, die hundertprozentig dem Land gehört und sich bereits um die ehemaligen Landeskrankenhäuser an beiden Standorten kümmere. So diene die für Anfang 1999 avisierte Neuregelung der organisatorischen Vereinfachung. Doch CDU, DVU und PDS blieben bei ihrer Kritik, die PDS-Abgeordnete Barbara Knöfler fürchtete neben zusätzlichen Sicherheitsmängeln eine sinkende Qualität der Behandlung und soziale Einschnitte bei den Mitarbeitern.

Auch der Gesamtpersonalrat ging auf die Barrikaden. Die Zahl der Patienten, die wegen Sexualdelikten, Körperverletzung und Brandstiftung eingewiesen wurden, habe sich innerhalb von sechs Jahren auf 200 erhöht. Bei einem Drittel sei wegen Wiederholungsgefahr keine Entlassung zu erwarten. Die Ministerin betrachtet jedoch alle strittigen Fragen als geklärt und nach Rechtslage befugt, so zu verfahren. Denn das Maßregelvollzugsgesetz des Landes sieht die Möglichkeit der Privatisierung ausdrücklich vor

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