Effla Die Aum-Sekte ist wieder aktiv
Vier Jahre nach Anschlag ohne Finanzprobleme Von Jens Adolph
Der Prozeß gegen den japanischen Sektenguru Shoko Asahara läuft bereits seit zweieinhalb Jahren. Ein Ende ist nicht abzusehen. Seine Sekte dagegen ist wieder aktiv.
Sektenführer Asahara
Foto: Reuters
Über 500 Aum-Anhänger leben in den Einrichtungen der Sekte, 1000 weitere Japaner unterstützen sie als weniger fest eingebundene Mitglieder Aum hat den Status einer offiziell anerkannten religiösen Bewegung zwar verloren, Geldprobleme aber kennt man nicht. Die Hauptquelle der Einnahmen ist der lukrative Vertrieb von Computern, der im letzten Jahr einen Umsatz von etwa 100 Millionen Mark brachte. Sektenanhänger werden bei der Endfertigung und im Verkauf als billige Arbeitskräfte eingesetzt, so daß die Preise in den Aum-Läden und im Versandhandel beträchtlich unter denen der Konkurrenz liegen. Als weitere Finanzierungsquellen dienen Seminare für Anhänger, die im normalen Berufsleben stehen. Viele 30bis 40jährige haben schließlich inzwischen Karriere gemacht.
Im März 1995 hatte ein Anschlag von Sektenmitgliedern auf die U-Bahn von Tokio zwölf Tote und Tausende Verletzte gefordert. Viele leiden noch heute unter der Nervengas-Attacke. Von den damals beschlagnahmten Geldern erhalten Opfer
durchschnittlich 10 000 Mark pro Kopfeine geringe Entschädigung für häufig verheerende gesundheitliche Folgen.
Asahara muß sich für 17 Straftaten verantworten, von denen jedoch in über 100 Prozeßsitzungen erst vier behandelt wurden. Neben dem U-Bahn-Attentat gehören dazu ein weiterer Sarin-Anschlag 1994, die Ermordung eines gegen Aum arbeitenden Rechtsanwalts und seiner Familie sowie die Hinrichtung eines mißliebigen Kultanhängers. Schon wird befürchtet, die Verhandlung könnte noch 20 Jahre andauern, denn es scheint schwierig zu sein, Asahara die Verantwortung für die Verbrechen seiner Sekte
nachzuweisen.
Der Guru selbst äußert sich in dem Prozeß nur selten. Zum Auftakt gab er 1996 eine kurze Stellungnahme ab, wenig später übernahm er während der Befragung eines ebenfalls beschuldigten Anhängers die gesamte Verantwortung, um sich dann aber als völlig unschuldig zu bezeichnen. Auf Fragen schweigt Asahara entweder oder murmelt unverständlich vor sich hin. Danach streiten Gericht und Rechtsanwälte regelmäßig, wie das Gemurmel zu beurteilen sei. Über die gesellschaftlichen Hintergründe der Aum-Sekte, Rivalitäten zu anderen Gruppen und die Ziele des Anschlags auf die U-Bahn ist außerhalb des Gerichtsgebäudes mehr zu hören.
Immerhin wurden etliche Kultmitglieder zur Verantwortung gezogen. Für die wichtigsten Täter gab es harte Strafen: Der Verantwortliche für die Ermordung des kritischen Rechtsanwalts Tsutsumi Sakamoto wurde zum Tode verurteilt. Der Sektenarzt erhielt für seine Rolle beim Sarin-Anschlag auf die U-Bahn lebenslange Haft, der Verantwortliche für den zweiten Sarin-Anschlag wurde zu 17 Jahren Haft verurteilt. Weniger hart war die Strafe gegen die Finanzchefin der Sekte, die 44 Monate Haft bekam, weil sie flüchtige Kultmitglieder unterstützt hatte.
Selbst wenn es gelingen sollte, die weiterhin aktiven Kultmitglieder auf gewaltloses Wirken zu beschränken, bleiben Spannungen in der japanischen Gesellschaft.. An den Schulen geraten immer mehr Klassen völlig außer Kontrolle, und sogar Premier Keizo Obuchi bekam bereits zu spüren, daß die Hemmschwelle vor Anschlägen gesunken ist. Ein unzufriedener Kartoffelhändler fuhr mit seinem Lastwagen vor die Privatwohnung Obuchis und versuchte, den Heiztank zur Explosion zu bringen. Sicherheitskräfte stoppten ihn in letzter Minute. Als Beweggrund nannte der Händler den schlechten Geschäftsgang.
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