Vorbereitung auf den Krieg
Kommt es nach mehr als 600 Jahren zur neuen Schlacht auf dem Amselfeld? Von Ivan Ivanji, Belgrad
400 NATO-Flugzeuge stehen bereit, Serbien »in die Knie zu zwingen«, einen souveränen Staat anzugreifen. Das bedeutet Krieg. Daran läßt man auch in Belgrad keinen Zweifel - und bereitet sich darauf vor.
Foto: dpa/Lowney
Auf zahlreichen, allerdings schlecht besuchten Massenversammlungen, schlagen die Redner denselben Ton an: Die USA wollen Kosovo besetzen, um von dort aus diesen Teil Europas strategisch zu beherrschen. Deshalb ist Washington einen Pakt mit »albanischen Terroristen« und der »Narkomafia« in Europa eingegangen. Die Serben werden an den legendären Fürsten Lazar erinnert, der gegen die übermächtigen Türken zwar die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 verlor, dafür aber sein Seelenheil rettete und ewigen Ruhm erntete. Die Mehrheit der serbischen Bevölkerung nimmt das apathisch hin. Eine Umfrage Anfang März zeigte, daß nur noch 12 Prozent der Befragten dem Verbleib Kosovos in Jugoslawien hohe Priorität einräumen. Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic scheint Angriffe von Marschflugkörpern und NATO-Kriegsflugzeugen einkalkuliert zu haben. Für den Fall, daß deutsche Tornados dabei wären, wird schon jetzt an die vergeblich^, wenn auch heroische Verteidigung gegen Hitlers Luftangriff auf Belgrad am 6. April 1941 erinnert: Es war der orthodoxe Ostersonntag. Es heißt, auch dieses Jahr könnte der erste Angriff zu Ostern stattfinden. Ist es ein Wunder, daß man in Serbien an Deutschlands »Rache wegen zweier verforener' Weltkriege« denkt? ...^W.as,,nach, den ersten Schlägen aus der Luft passiert, daran ließ General Nebojsa Pavkovic, Befehlshaberr der Dritten Armee, keinen Zweifel: Jeder Angriff wäre »das Signal« zur Vernichtung der albanischen Untergrundarmee UCK in Kosovo. Ohne ausländische Beobachter und Journalisten könnten Armee und Polizei mit aller Kraft gegen die Rebellen vorgehen. Bisher wurden schwere Panzer, gro-ße Einheiten und die Luftwaffe nicht eingesetzt. Die UCK hält mindestens die Hälfte Kosovos und unterbricht immer wieder auch die wichtigsten Straßen. Dem glaubt man dann ein Ende machen zu können. Die bürgerliche Opposition Serbiens befürchtet, daß auch sie dem Krieg gegen den »inneren Feind« zum Opfer fällt. Nachdem Milosevic die zwei stärksten früheren Oppositionsparteien, die Radikalen unter Vojislav Seselj und die SPO von Vuk Draskovic, in die Regierung eingebunden hat, sind ohnehin nur wenige organisierte Oppositionelle geblieben. Und die werden schon jetzt als Verräter
im Solde des feindlichen Auslands bezeichnet. Auch unabhängige Medien und Journalisten gehören zu denen, die unter Ausnahme- oder sogar Kriegszustand ausgeschaltet würden. Für nicht ausgeschlossen halten manche, daß Belgrad in diesem Fall auch mit der eigenwilligen Teilrepublik Montenegro abrechnet.
Schließlich hätte man im Falle eines NATO-Angriffs eine weitere Erklärung für den Bankrott der Wirtschaft, den alle Bürger auf der eigenen Haut spüren. Dann hätte nicht die Regierung, die einigen Schichten eine enorme Bereicherung ermöglichte, das Elend verursacht, sondern der Krieg.
In Serbien wird die Lage so dargestellt, als stünde der gewaltsame Einmarsch der sich in Mazedonien sammelnden NATO-Truppen unmittelbar bevor Der wird aber vorerst sicher nicht erfolgen. Also kann Belgrad verkünden, das mächtigste Militärbündnis der Welt sei vor der Kraft der jugoslawischen Verteidigung zurückgeschreckt. Aufmerksam wird die Bombardierung Iraks beobachtet. Da Saddam Hussein bisher durchgehalten hat, glaubt Milosevic, daß auch ihm persönlich nichts droht. Er könnte sich dabei verrechnen. Die UCK-Kämpfer werden sich auf Partisanenart in die Wälder und Berge zu-
rückziehen, die zivile Bevölkerung wird jedoch die ganze Feuerkraft der schweren Artillerie zu spüren bekommen. Es wird noch mehr Tote, Flüchtlinge, niedergebrannte Siedlungen, Leid und Entsetzen geben. Wird die NATO dann letztlich nicht doch mit Bodentruppen in Kosovo einmarschieren? Wenn sie nach allen ihren Drohungen gar nichts tut, steht sie blamiert als Papiertiger da. Schon viel zu
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