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  • PROFIBOXEN: Axel Schulz nach der K.o .-Niederlage

»Rücktritt ohne Wenn und Aber«

Frankfurter Schwergewichtler im EM-Kampf gegen Wladimir Klitschko chancenlos Von Jürgen Holz

  • Lesedauer: 5 Min.

Wladimir Klitschko trifft Axel Schulz mit der linken Führhand wieder einmal schwer Foto: dpa

Die Fronten sind ein für allemal geklärt. Aus der erhofften Sternstunde für Axel Schulz, der »Ikone des deutschen Berufsboxens«, wurde die Abschiedsstunde. Der Schwergewichtler aus Frankfurt (Oder) unterlag nach drei verlorenen WM-Kämpfen und zwei gescheiterten EM-Fights auch im sechsten Anlauf. Der 30-Jährige ging in der mit 18 000 Zuschauern ausverkauften Köln-Arena im Kampf um den vakanten EM-Titel gegen den in Hamburg beim Ex-Schweriner Fritz Sdunek trainierenden Ukrainer Wladimir Klitschko in der achten Runde K.o. Es war Klitschkos 28. K.o.-Sieg in 30 Profikämpfen. Dem ersten Niederschlag folgte anderthalb Minuten später der zweite, so dass der Ringrichter Daniel van de Wiele (Belgien) nach 2:43 min den ungleichen Kampf abbrach.

Schulz hatte in dem auf 12 Runden angesetzten Fight gegen den 23-jährigen Kontrahenten nicht die geringste Spur einer Chance. Klitschko war ihm nicht nur in der Reichweite, sondern in allen Belangen überlegen und beeindruckte vor allem mit seiner linken Führhand. Überfordert und teilweise konzeptionslos mangelte es Schulz wie eh und je an Entschlossenheit und Durchschlagskraft. Präzise, harte Schläge zeigte er so gut wie keine. Bestenfalls eine Runde konnte er für sich entscheiden. Einziger Trost: Er kassierte ebenso wie der neue Champion eine Börse von zwei Millionen Mark brutto. Mit stark geschwollenen Augen, von einer dunklen Sonnenbrille nur notdürftig verdeckt, stand Axel Schulz Rede und Antwort.

? Das war offensichtlich der letzte Kampf Ihrer Profi-Karriere. Oder?

Ich hatte es vorher klipp und klar gesagt: Wenn ich klar verliere, höre ich auf. An der Niederlage gibt es nichts, aber auch gar nichts zu deuteln. Sie ist klar und eindeutig, wie ein K.o. nur sein kann. Eindeutiger kann man nicht verlieren. Es war “mein letzter Kampf. Es ist ein Rücktritt ohne Wenn und Aber Vielleicht bereue ich ihn irgendwann mal. Aber einen Rücktritt vom Rücktritt wird es für mich nicht geben. Wenn die Leistung nicht mehr stimmt, muss Pumpe sein. Es war dennoch keine verlorene, sondern eine sehr schöne Zeit. Ich bereue nichts.

? Wie schwer fällt Ihnen diese Entscheidung?

Im Moment fällt sie mir nicht schwer. Nach so einer klaren Niederlage habe ich die Schnauze voll. Nach dieser Dresche musste ich auch meiner Freundin Kati versprechen, nicht mehr in den Ring zu steigen. Für mich war nach diesem Kampf sowieso klar- Es hat wirklich keinen Sinn mehr

? Also keine vorschnelle Reaktion nach enttäuschender Vorstellung?

Nein. Von mir war hier heute nicht viel zu sehen. Ich habe drei WM- und nun auch drei EM-Kämpfe verloren. Das ist genug. Ich habe nichts mehr in der Weltspitze zu suchen.

? Wie kommentieren Sie den Kampf? Klitschko war super auf mich einge-

stellt. Er hat mich mit seinen harten Schlägen von Anfang an unter Druck gesetzt. Die Schläge waren hart und ansatzlos. Da war es schwer, ja fast unmöglich für mich, die lange Distanz zu Klitschko zu durchbrechen.

? Ist es die bitterste Stunde Ihrer Profi-Karriere, in der Sie in vorher 31 Kämpfen nur drei Mal verloren hatten, aber nie K.o. gegangen waren?

Nein, bittere Niederlagen waren die gegen Weltmeister Foreman und gegen den gedopten Botha. Kämpfe, die ich nach wie vor für mich als gewonnen sehe. Die Niederlage gegen Klitschko war hingegen total eindeutig.

? Ihr Trainer Manfred Wolke hatte Ihnen vorher abgeraten, gegen Klitschko zu boxen. Warum wollten Sie ihn?

Ich bin zufrieden, dass ich den Kampf gemacht habe. Ich wollte endlich wissen, wo ich tatsächlich stehe. Ich wollte mit meinem Schritt klar machen, dass mich Kämpfe gegen die Nummer 150 der Weltrangliste nicht weiterbringen, wobei ich derjenige war, der dabei auch noch miese Kämpfe gezeigt hat. Doch wenn man sich nach einer Bandscheibenoperation entscheidet, mit dem Boxen weiter zu machen, dann kann es nur um Alles oder Nichts gehen. Ich habe alles, habe hundert Prozent riskiert - und habe alles verloren. Aber ich habe auch, denke ich, etwas gewonnen.

? Inwiefern?

Die Eindeutigkeit der Niederlage ist schmerzlich, aber sie hat auch die Fronten geklärt: Wäre der Kampf knapp mit 2:1-Richterstimmen ausgegangen, hätte ich wieder mit mir gehadert, was ich wo vergeben habe. Ich kann jetzt besser mit dieser Niederlage umgehen. Sie ist okay Klitschko hat so hart und präzise geschlagen, damit habe ich nicht gerechnet. Er hat mich mehrmals sehr hart erwischt. Ihm gehört die Zukunft. Es war völlig richtig, den Kampf abzubrechen. Es hätte keinen Sinn mehr gehabt.

? Ihr Trainer hatte schon in der siebenten Runde den Abbruch erwogen ...

Ja, er hatte zunächst den Ringarzt wegen meines angeschwollenen Auges konsultiert. Dann sagte er zu mir- »Komm, lass uns aufhören.« In dem Augenblick wollte ich noch weiter machen, auch mit geschwollenem linken Auge, auf dem ich so gut wie nichts mehr sah. Aber ich musste schließlich erkennen: Das bringt alles nichts.

? Es wurde Ihnen immer angekreidet, dass Sie Ihre Trainingsleistung im Kampf nicht umsetzen können. Worin sehen Sie die Ursachen?

Natürlich kann man im Training Situationen simulieren und dann darauf bauen, dass die entscheidenden Schläge im Kampf sozusagen von selbst kommen. Aber im Ring kann einem kein Trainer, kein Psychologe helfen. Da stehst du ; allein. Ich muss meine Gegner ja nicht umhauen. Mir ging es immer darum, meine boxerische Linie durchzuziehen. Aber irgendwie gelang mir das zuletzt immer weniger

? Sie sind Besitzer von drei Boutiquen und sechs Telefonläden und sollen in Ihrer neunjährigen Profi-Laufbahn schätzungsweise fünf Millionen Mark kassiert haben. Wie wird Ihre weitere berufliche Zukunft aussehen?

Das weiß ich im Detail so genau noch nicht. Zunächst mal werde ich meinen Kopf kühlen.

? Wäre nach Ihrem Debüt vor einigen Monaten in einem ZDF-Krimi eine Filmkarriere eine Alternative?

Die Sache hat damals viel Spaß gemacht. Es war eine ganz neue Erfahrung mit einem ganz anderen Team. Es gab danach auch drei weitere Angebote. Doch es ist so unmittelbar nach meinem Rücktritt völlig verfrüht, da weitere Spekulationen anzustellen. Fest steht nur- Ich werde mich jetzt um andere Sachen ausserhalb des Boxens kümmern, intensiver als früher

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