Strafanzeige gegen Ramelow
Thüringen Landesentwicklungsgesellschaft will PDS-Politiker wegen Kritik an Förderpraktiken einschüchtern Von Peter Liebers
Die Thüringer Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) hat gegen den stellvertretenden PDS-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, Strafanzeige erstattet, weil er Teile eines internen Prüfberichtes über dubiosen Umgang mit Fördermitteln im Internet öffentlich gemacht hat.
Aus Sicht der LEG enthalten die von Ramelow veröffentlichten Dokumente datenschutzrechtlich relevante Informationen. Es entbehrt nicht der Pikanterie, dass sich die Gesellschaft dabei außerdem ausgerechnet auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb beruft. Schließlich wird aus dem Prüfbericht deutlich, dass sich die LEG auf Grund ihrer Stellung selbst auf unlautere Art Wettbewerbsvorteile verschafft hat, indem sie sich Aufträge praktisch selbst erteilte, die vom Wirtschaftsministerium des Landes sogar gegen ausdrückliche Warnungen aus dem Kreis der eigenen Beamten bestätigt wurden.
Wie groß das Interesse an den Enthüllungen ist, zeigen zwei Zahlen: Innerhalb von zwei Wochen registrierte Ramelow 5000 Zugriffe auf seine Internetseite, Ausschnitte aus dem Prüfbericht wurden schon über 1000 Mal herunter geladen. Dass es sich dabei nicht nur um Zugriffe aus Sensationsgier handelt, wird am Echo sichtbar. In wachsender Zahl erhält Ramelow Zuschriften von Handwerkern und kleinen Unternehmern, die eigene üble Erfahrungen mit der Vergabe von Fördermitteln in Thüringen schildern und ihm Mut zum Weitermachen wünschen. Während das Erfurter Wirtschaftsministerium in Presseerklärungen zum Beispiel stolz verkündet hatte, dass die Voraussetzungen für die Ansiedlung der Metro-Tochter »Metex« einschließlich, der Vereinbarungen über Fördermittel im Millio-
nenhöhe innerhalb weniger Wochen geschaffen wurden, kämpfen viele heimische Mittelständler mitunter jahrelang vergebens um ein paar Mark.
Inzwischen beschäftigt sich auch die Europäische Union mit den Thüringer Förderpraktiken. In Gera musste jetzt ein Mittelständler das Handtuch werfen und Konkurs anmelden, weil ihm Rückzahlungsforderungen in Millionenhöhe aus Brüssel drohen. Aus dem Unternehmen verlautet, die Fördermittel seien im Wirtschaftsministerium offenbar falsch eingestuft worden.
Ramelow glaubt, dass die LEG mit ihrer Strafanzeige nur die Flucht nach vorn ergreife, um eigene Fehler zu vertuschen und ihn einzuschüchtern. Ihm sei von Anwälten aber schon juristische Unterstützung angeboten worden, sagte er dem ND Die PDS werde ihren Druck auf das Wirtschaftsministerium vielmehr noch erhöhen. Unter anderem wird in der Fraktion derzeit an Anträgen für Untersuchungsausschüsse gearbeitet. Die kann die PDS mit ihrer nach der Landtagswahl gewachsenen Fraktionsstärke jetzt allein und ohne Hilfe der kleineren SPD-Fraktion durchsetzen.
Die LEG hat inzwischen indirekt eingestanden, dass sie auf verlorenem Posten kämpft. Eine angedrohte Einstweilige Verfügung mit Androhung eines hohen Bußgeldes wurde nicht erwirkt. Sie wäre angesichts der parlamentarischen Immunität Ramelows vom Gericht wohl auch kaum erlassen worden. Die jetzt eingereichte Strafanzeige könnte leicht zu einem peinlichen Eigentor werden. In Erfurt gilt als sicher, dass im Falle staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen weiteres belastendes Material über die Förderpraktiken ans Tageslicht gelangt, das den Mitarbeitern der Mühlhausener Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität höchst gelegen käme. Die ermitteln bereits an Hand der bisher von Rarnelow .veröffentlichten r Mg,fe,r,iaUpn gegen das Wirtschaftsministerium und die LEG unter anderem wegen Untreue,. . ,,_
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