Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Ein neuer Körper - warum nicht?

US-Neurochirurg hält Kopfverpflanzungen für machbar/Wegen fehlender Akzeptanz spricht er aber lieber von »Ganzkörpertransplantation«

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.

Blutspende, Organspende, Körperspende - wo ist da der Unterschied? Dies mag sich der 73-jährige Neurochirurg Robert White von der Case Western Reserve University in Cleveland (US-Bundesstaat Ohio) vielleicht gefragt haben. Sein Urteil: Der Unterschied ist allenfalls technischer Natur. Es sei schon etwas schwieriger, sowohl den Kopf des einen Menschen als auch den Körper des hirntoten Spenders für die Dauer einer so aufwendigen Operation am Leben zu erhalten, erklärte er dem britischen Wissenschaftsmagazin »New Scientist« (Bd. 164, Nr. 2207, S.48).

Vorläufer hat Whites Idee keineswegs nur in den Phantasien von Mary Shelleys Dr. Frankenstein. In der September-Nummer der US-Zeitschrift »Scientific American« schildert er erste Versuche solcher Operationen aus dem Jahre 1908 (von dem US-Physiologen Charles C. Guthrie) und den 50er Jahren (von dem sowjetischen Wissenschaftler Wladimir P Demichow). Beide experimentierten mit

Hunden, die den Eingriff aber allenfalls einige Tage überlebten. Erfolgreiche Versuche habe es erst seit den 70er Jahren gegeben, als White und einige seiner Kollegen den Kopf eines Rhesusaffen mit dem Körper eines anderen verbanden. Nachdem das Tier aus der Narkose erwachte, erlangte es das Bewusstsein zurück und hätte aggressiv auf die Menschen reagiert. Der Kopf habe sehen und essen gekonnt. Allerdings seien auch diese Tiere nur acht Tage am Leben geblieben. Mit den Verbesserungen der medizinischen Technik seither könne man sich auch an Menschen wagen. White und seine Kollegen haben verschiedene Einrichtungen entwickelt, die es erlauben, das zirkulierende Blut im Kopf auf 10 °C abzukühlen, wodurch den Operateuren mehr Zeit für den Anschluss der Blutgefäße des »Spenderkörpers« bleibt.

Beim derzeitigen Stand der Neurochirurgie könne man allerdings noch nicht erreichen, dass der fremde Körper dem Kopf auch gehorcht. Denn das einmal durchtrennte Rückenmark ließe sich bis dato nicht wieder verbinden. Zwischen Gehirn und Körper bestünde also nur eine Verbindung über den Blutkreislauf. Der

fremde Körper wäre faktisch eine Art lebender Herz-Lungen-Maschine. Die Situation eines unheilbar Krebskranken, der sich einer derartigen »Ganzkörpertransplantation« unterziehen würde, wäre dann vergleichbar mit der eines Querschnittsgelähmten.

Ein weiteres offenes medizinisches Problem sei jedoch die Reaktion des Immunsystems. Es gebe bislang keine Vorstellung, ob sich die von anderen Transplantationen bekannten Abstoßungsreaktionen auch beim Kopf und dem Gehirn mit den bekannten Medikamenten beherrschen lassen.

Bleibt die Frage, ob das Gruseln über Frankenstein der Begeisterung über einen neuen strahlenden Fortschritt der Medizin weichen wird oder ob es - wie beim Klonschaf »Dolly« - einen Aufschrei der Empörung gibt. White selbst misstraut der Stimmung in seiner Heimat offenbar. Dem »New Scientist« verriet er, dass er daran denke, eine solche Transplantation in Kiew durchzuführen. Dort gebe es exzellente Chirurgen, mit denen er bereits gearbeitet habe, und einen nagelneuen Operationssaal. Ein Vorteil sei auch, dass die Presse leichter zu kontrollieren sei!

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal