Radsportmanager, schwer vermittelbar

Profi-Radteam Milram: Der entlassene Jörg Strenger will sich um ein U-23-Team bemühen

Eigentlich konnte den beiden Herren aus Leipzig gestern nicht zum Feiern zumute sein, dennoch waren Jörg Strenger und Michael Schiffner in ein kleines Dorf im Allgäu gereist: Radrennfahrer Sebastian Siedler aus Erfurt heiratete, und Schiffner als sein Trainer beim Leipziger Team Wiesenhof und Strenger als dessen Teammanager wollten natürlich dabei sein, als der 27-jährige Radprofi aus ihren Reihen am Nachmittag seiner Kerstin das Ja-Wort gab. Bis vor einigen Tagen noch sah die Zukunft sowohl für den Radprofi Siedler als auch für seine Chefs rosig aus. Zumindest für Strenger und Schiffner ist das seit Dienstagabend anders. Da wurde bekannt, was am Mittwoch »Die Welt« in ihrem Sportteil berichtete: Dass der Vorstandsvorsitzende des Nordmilch-Konzerns, Stephan Tomat, die Zusammenarbeit mit Jörg Strenger und Michael Schiffner beendet. Beide sollten ab dem kommenden Jahr beim neugegründeten Profi-Rennstall Milram mit seinen Stars Erik Zabel aus Deutschland und Alessandro Petacchi aus Italien gut dotierte Funktionen übernehmen - Schiffner als Sportlicher Leiter, Strenger auf dem Posten des Marketingchefs. Doch daraus wird nun nichts. Nordmilch-Boss Tomat wusste zwar schon bei der Teampräsentation am Rande der WM in Madrid vor acht Tagen, was bereits seit Jahren immer wieder in verschiedenen Medien ein Thema war - dass Jörg Strenger zu DDR-Zeiten als Major bei der Staatssicherheit arbeitete und dass Ex-Friedensfahrer Michael Schiffner von 1972 bis 1989 als »IM Frank Fischer« Auskunft über seine Beobachtungen inmitten des Radsportgeschehens der DDR gegeben haben soll. Keiner von beiden hat dies bestritten. In Madrid hatte Tomat seinen Partner Strenger aber noch in Schutz genommen, als nach dessen Stasi-Vergangenheit gefragt wurde: »Ich habe Herrn Strenger als sehr umtriebigen und verlässlichen Partner kennen gelernt und bin froh, dass er dabei ist«, sagte Tomat. Doch innerhalb von vier Tagen muss es ein Umdenken bei der größten deutschen Molkerei gegeben haben: »Herr Strenger hat sich nicht mit dem DDR-System arrangiert, sondern er war ein konstituierender Teil des menschenverachtenden Systems«, erklärte Tomat nun. Beim Nordmilch-Konzern war gestern niemand zu erreichen, der über den Meinungswechsel detailliert Auskunft geben konnte. Der 57-jährige Unternehmer Strenger, mit seiner Firma »sahneböhm« ebenfalls im Molkereigeschäft engagiert, ist enttäuscht. »Ich habe aus meiner Vergangenheit nie einen Hehl gemacht, gegenüber niemandem«, meinte Strenger gestern gegenüber ND. Seit 1998 habe er mit Nordmilch verhandelt, erst als Marketingdirektor der Friedensfahrt, die Nordmilch fünf Jahre lang sponserte, später auch als Wiesenhof-Chef. »Die Zusammenarbeit war stets gut, die Wiesenhof-Fahrer hatten in dieser Saison Nordmilch als Sponsor auf der Brust.« Strenger, der wohl zu einem nicht unwesentlichen Teil zur Verpflichtung von Erik Zabel beigetragen haben dürfte, sieht sich aber nicht von Nordmilch verstoßen, sondern von anderen Interessengruppen verfolgt. »Offensichtlich ist doch, dass hier ein großer Sponsor extrem unter Druck gesetzt wurde.« Dem habe Nordmilch nachgeben müssen. »Da frage ich mich schon, was dürfen Menschen wie Strenger oder Schiffner überhaupt machen in diesem Land?« wundert sich der ehemalige Mitarbeiter der Hauptabteilung XX des MfS in Leipzig. Jörg Strenger hat mit dem Radsport gutes Geld verdient - als Marketingleiter der Friedensfahrt bis 2004 und mit dem Team Wiesenhof. Vor allem die Radsportler in Strengers Heimatstadt Leipzig haben stets von dessen Aktivitäten profitieren können. »Für uns war es immer besonders gut, dass wir hier mit Wiesenhof ein Profi-Team hatten«, sagt Wolfgang Schoppe. Der Leipziger ist der Präsident des Sächsischen Radfahrer-Bundes und gleichzeitig Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer. Wiesenhof geht nun weg, man hoffte auf Strenger und Milram, die hier eine Milram-Nachwuchsmannschaft gründen wollten. »Wenn daraus nichts wird, wäre es ganz schlecht für Leipzigs Radsport«, befürchtet Schoppe nun. Jörg Strenger verspricht, sich für die geplante U-23-Mannschaft von Milram weiter einzusetzen. Vielleicht hat Jörg Strenger ja schon bald seine große Rückkehr im Radsport: »Am Dienstag fahre ich nach Prag. Der tschechische Verband will mit mir über die Friedensfahrt 2006 sprechen.« Allerdings werde er nur beratend zur Seite stehen. Als Pragmatiker und Strippenzieher im Radport wird er wohl weiter gefragt sein - in der Öffentlichkeit ist er in Zukunft nur schwer vermittelbar
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