Steinbrück-Debatte lockert Transparenz-Blockade

Bundstagskommission berät neue Offenlegungsregeln wohl noch im Oktober / SPD-Kanzlerkandidat attackiert Kritiker

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Peer Steinbrück ist in der Debatte um seine Nebeneinkünfte in die Gegenoffensive gegangen und hat die Regierungsparteien attackiert. Doch auch in SPD und Grünen wird Transparenz vom Kanzlerkandidaten gefordert. Womöglich müssen ein wenig mehr davon bald alle Bundestagsabgeordneten an den Tag legen.

Alles nur Wahlkampf? Peer Steinbrück jedenfalls sieht es so. Der wegen horrender Nebeneinkünfte in die Schlagzeilen geratene SPD-Kandidat sagte der »Welt«, »in Wahrheit geht es einigen Kritikern darum, meine persönliche Glaubwürdigkeit zu beschädigen«.

Der Sozialdemokrat hat seit 2009 über 80 bezahlte Vorträge bei Banken, Firmen und Stiftungen gehalten. In vielen Fällen erhielt er dafür mindestens 7000 Euro - wie viel genau, muss Steinbrück nach den geltenden Regeln nicht offenlegen. Die höchste der drei Stufen, in denen Abgeordnete Nebeneinkünfte angeben müssen, gilt für jeden Betrag über 7000 Euro.

Ein Fall sorgt inzwischen für besondere Aufmerksamkeit: 2011 redete der Sozialdemokrat vor der Großkanzlei Freshfields, die mehrere Gesetze entwarf, während Steinbrück Bundesfinanzminister war. »Kanzleien, die ansonsten für genau die Unternehmen arbeiten, die von den Gesetzen betroffen sind, sind nicht die richtige Adresse, um die verschiedenen gesellschaftlichen Interessen zu berücksichtigen und abzuwägen«, hatte die Nichtregierungsorganisation LobbyControl dies schon vor einiger Zeit kritisiert. Nun sieht auch Linksfraktionsvize Ulrich Maurer den Zeitpunkt gekommen, eine parlamentarische Untersuchung zu fordern. Es müsse geprüft werden, »ob es mit den Verhaltensregeln für ehemalige Minister vereinbar ist, wenn sie für ein Fantasiehonorar bei einem früheren Großauftragnehmer reden«.

Appelle an Steinbrück, dieser solle für mehr Transparenz sorgen, werden inzwischen auch in rot-grünen Reihen laut. Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz sagte »Bild«, »anständig wirkt das Ganze nicht. Deshalb erwarte ich eine völlige Offenlegung.« Und auch SPD-Fraktionsvorstand Swen Schulz forderte Konsequenzen: »Unabhängig von Peer Steinbrück müssen wir die gesetzlichen Vorschriften ändern.« Es müsse künftig klar sein, »wer hat von wem wofür wie viel Geld bekommen«.

So genau ist das nach den bisherigen Regeln nicht möglich. Bei Steinbrück kommt hinzu, dass ein beträchtlicher Teil seiner Vorträge über Agenturen wie »Celebrity Speakers« abgewickelt wurde. Vor wem Steinbrück in diesen Fällen tatsächlich sprach, liegt jedoch bisher im Dunkeln.

Strengere Vorschriften für die Offenlegung von Nebenverdiensten hält Timo Lange von LobbyControl deshalb für »überfällig«. Und die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak verwies darauf, dass ihre Partei seit langem Anträge zur Begrenzung von Lobbyismus und für mehr Transparenz vorgelegt habe.

Zustimmung von Union und FDP gab es dafür nie, was die Regierungsfraktionen nicht davon abhält, sich nun besonders energisch an Steinbrück abzuarbeiten. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sieht den Sozialdemokraten im Verdacht, ein »Produkt der Finanzindustrie« zu sein. Und sein FDP-Kollege Patrick Döring warf ihm Habgier vor.

SPD und Grüne wiesen die Kritik als heuchlerisch zurück. Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, »seit drei Jahren verhandeln wir mit der Koalition über eine Änderung der Verhaltensregeln für Abgeordnete«. Dies sei bisher aber wegen der Regierungsparteien »ohne konkretes Resultat« geblieben.

Das könnte sich nun bald ändern. Die für die Offenlegungsregeln zuständige Rechtsstellungskommission des Bundestages wird sich voraussichtlich am 18. Oktober mit dem Thema befassen, hieß es am Donnerstag in Berlin. Diskutiert wird schon länger eine Reform, im Gespräch ist unter anderem ein Zehn-Stufen-Modell, das bis 150 000 Euro reicht.

Offenbar hat die Steinbrück-Debatte bereits gewirkt: Es seien nur noch Details offen, hieß es nun auch aus der Union.

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