Nicht reinlassen und schnell abschieben

Rot-Schwarz übergibt Asylpolitik an die Fachgremien / CDU-Beifall für Innenminister Friedrich

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 4 Min.

Zwar nicht abgelehnt, aber verschoben in mehrere Fachausschüsse wurde der von LINKEN, Grünen und Piraten eingereichte Antrag »Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen - Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher in die bestehenden Sozialleistungssysteme einbeziehen!«.

Als »dringend notwendig« hatte die LINKE das Thema der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus, »Flüchtlingen überall in der Stadt menschenwürdiges Leben« zu garantieren, deklariert. Der flüchtlingspolitische Sprecher der Linksfraktion, Hakan Taş, erinnerte daran, dass gerade der lange Marsch der (nun in Berlin im Protestcamp lebenden) Flüchtlinge deren zum Teil menschenunwürdige Lage vor Augen geführt habe. »Asylmissbrauch« nannte Taş ein Unwort, denn die Menschen suchten Schutz. Sie in Deutschland in unwürdigen Verhältnissen leben zu lassen, entspräche nicht dem Geist des Grundgesetzes.

Die Opposition hatte den Antrag gemeinsam eingereicht, um den Senat dazu zu bringen, »Bundesratsinitiativen anderer Bundesländer zu unterstützen, das Asylbewerberleistungsgesetz aufzuheben«. Grundlage ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Juli, nach dem das Asylbewerberleistungsgesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein hatten die Bundesratsinitiative gestartet.

SPD und CDU waren sich immerhin darin einig, den Antrag in den »zuständigen Fachausschüssen ausführlich zu beraten«. »Wir werden heute eine Sofortabstimmung nicht mitmachen«, machte Ülker Radziwill (SPD) klar. Die Piraten kritisierten dies prompt als Verschleppungstaktik und warnten davor, dass Berlin sich mangels Entscheidung bei einer Abstimmung der Bundesratsinitiativen enthalten muss. Radziwill konterte, dann würde man eben noch eine eigene Initiative einreichen.

Denn wie groß das Problem des »Flüchtlingszustroms« eigentlich ist, darin war sich Rot-Schwarz nicht einmal annähernd einig. Die CDU bediente sich der üblichen das-Boot-ist-voll-Polemik und wies darauf hin, dass die Zahlen der Asylbewerber seit Jahren zunehmen. Eine der Kernaussagen Robbin Juhnkes (CDU) war die Forderung nach einer möglichst zügigen Abschiebung von Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Einig sind sich CDU und CSU auf lokaler und Bundesebene auch in der Forderung nach schnellen Asylverfahren. Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU) nannte in Luxemburg als idealen Zeitraum »wenige Tage«.

Die SPD ihrerseits wies die Kritik an der Tatenlosigkeit des Senates angesichts steigender Flüchtlingszahlen zurück. Eine Zunahme gebe es erst seit wenigen Monaten, sagte Ülker Radziwill, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion. Und überhaupt, der Senat arbeite emsig: »In den letzten Tagen hat der Senat Anstrengungen unternommen, Notunterkünfte zur Verfügung zu stellen.«

Auch in Mecklenburg-Vorpommern lehnten CDU und SPD einen Antrag von LINKE und Grünen ab, die Bundesratsinitiativen zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes zu unterstützen. »Während die SPD in Brandenburg aktiv wurde, dieses diskriminierende Gesetz aufzuheben, kann sie sich hier in MV offenbar nicht gegen die CDU durchsetzen«, sagte Hikmat Al-Sabty, migrationspolitischer Sprecher der Linksfraktion.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte in den letzten Tagen nicht nur eine Abschaffung der Visafreiheit für die Länder Mazedonien und Serbien gefordert, sondern auch eine Kürzung der Leistungen vorgeschlagen. »Das ist ein Aufruf zum Verfassungsbruch«, kritisierte Elke Breitenbach, Sprecherin für Arbeit und Soziales der Linksfraktion während der Antragsdebatte in Berlin.

Robbin Juhnke schloss sich Innenminister Friedrich darin an, die Visafreiheit für Mazedonien und Serbien wieder abzuschaffen. Denn die Motivation für Menschen aus diesen Ländern nach Deutschland zu kommen, liege »völlig unverhohlen in wirtschaftlichen Aspekten«, im hohen Wohlstand der Bundesrepublik.

»Serbien und Mazedonien dürfen nicht zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Dies hätte zur Folge, dass jeder Asylantrag aus diesen Ländern als offensichtlich unbegründet abgelehnt würde«, warnte die Asylexpertin von Amnesty International, Franziska Vilmar. Friedrichs Vorschlag ließe außer acht, dass Menschen hier Asyl suchen, denen in ihren Herkunftsländern elementare Rechte versagt werden. Gerade Sinti und Roma kommen aus diesen Ländern. »Der Vorstoß des Bundesinnenministers ist eine klare Diskriminierung von Roma aus Serbien und Mazedonien, die vor dem Hintergrund des Urteils als verfassungswidrig betrachtet werden muss« kritisierte Pro Asyl.

Doch Inneminister Friedrich blieb mit seinen Forderungen nicht allein. Auch die Europäische Union (EU) stellte angesichts wachsender Asylbewerberzahlen die Visafreiheit für die Balkan-Länder infrage. EU-Staaten sollen von Reisenden aus dem Balkan an der Grenze vorübergehend wieder Visa verlangen dürfen.

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