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Extremismus auf dem Prüfstand

Wissenschaftler fordern bei »nd-unterwegs« die Abschaffung des Verfassungsschutzes

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Alles nur Propaganda? Bei einer Diskussion des »nd« in Kooperation mit dem Studentenrat der TU-Chemnitz und der Rosa-Luxemburg Stiftung versuchten Wissenschaftler, dem Extremismus auf die Spur zu kommen.

Man sah es ihm an. Er vermisste seinen Kontrahenten. »Ich wollte endlich einmal wieder mit ihm reden«, erklärte Wolfgang Wippermann, Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Er hatte sich auf einen Schlagabtausch mit seinem Kollegen Eckhard Jesse, Politologe an der Technischen Universität Chemnitz, eingestellt. Jesse gilt als harter Verfechter der Extremismustheorie, Wippermann bezeichnet dieses Konstrukt als »demokratiegefährdende Legende«. Nun musste Jesse seinen Auftritt vor heimischen Hörsaal kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen. So saß neben Wippermann »zu seiner Rechten«, wie »nd«-Moderator René Heilig bemerkte, mit dem Historiker Friedrich Burschel von der Rosa-Luxemburg Stiftung ein weiterer Podiumsteilnehmer, der dem Extremismusbegriff nicht viel abgewinnen kann. Aktuell ist diese Streitfrage deshalb, da der Extremismus durch den Verfassungsschutz als politischer Kampfbegriff geprägt und später durch Wissenschaftler wie Eckhard Jesse und Uwe Backes salonfähig gemacht wurde.

Für den »Kunstbegriff«, wie Wippermann den Extremismus bezeichnet, ist jener Inlandsgeheimdienst verantwortlich, dessen unglaubliche Pannenserie bei der Aufklärung der NSU-Mordserie für Schlagzeilen sorgt. Einige der 130 Veranstaltungsbesucher bewegte dieser Umstand zu der Frage, ob nicht Absicht hinter all der Schlamperei stecken könnte. »Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz«, fragte Wippermann und forderte die Abschaffung selbiger Institution. Burschel pflichtete ihm bei und ergänzte, dass der »Verfassungsschutz derzeit von der Politik eher noch aufgewertet würde.«

Beispiele dafür finden sich in der jüngsten Vergangenheit. Kürzlich sorgten Pläne des Bundfinanzministeriums für Aufregung, wonach Vereinen die Gemeinnützigkeit und somit der Zugang zu Fördermitteln automatisch entzogen werden soll, wenn sie im Verfassungsschutzbericht auftauchen.

Burschel merkte allerdings auch an, das es schon bei der Einführung der Extremismusklausel durch das Familienministerium kaum »nennenswerte Proteste dagegen« gab. Kritisch sei zudem, so der Politologe, wenn sich der Verfassungsschutz immer weitere Aufgabefelder erschließe, etwa indem er politische Bildungsarbeit an den Schulen betreibe. In Niedersachsen übernehmen seit einigen Jahren »Demokratie-Lotsen« des Verfassungsschutzes die Aufgaben der Landeszentrale für politische Bildung, die Schlapphüte aus Nordrhein-Westfalen sind für die millionenfache Herausgabe einer dreiteiligen Comicserie zu den Themen Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus verantwortlich.

Schockierend findet Burschel nicht nur die inhaltlichen Aussagen solcher Publikationen sondern auch die fehlende pädagogische Begleitung und Evaluation der Projekte. Eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Verfassungsschützern dürfe es nicht geben, forderte Wippermann und spielte damit auf seinen abwesenden Kollegen Jesse an. Sein Kontrahent fehlte ihm einfach.

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