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Retro-Fiction in Teheran

»Argo« von Ben Affleck

  • Lesedauer: 3 Min.

George Clooney ist einer der Produzenten dieses Films, und Clooney mag kein begnadeter Schauspieler sein (und ist erwiesenermaßen ein ziemlich humorfreier Typ, wo es um Kritik an seinen Filmen geht), aber ein rechtslastiger US-Chauvinist und Kriegshetzer, das ist Clooney nicht. Deshalb ist »Argo« denn wohl über jeden Zweifel erhaben, was seine politischen Absichten angeht. Wäre Clooney nicht, man müsste sich wundern, warum ein Hollywood-Star wie Ben Affleck gerade jetzt einen Spielfilm dreht über eine Geschichte, in der Iran aus wenig mehr als blutrünstigen Fanatikern in Revoluzzerkappen zu bestehen scheint und eigentlich von ihrer Immunität geschützte US-Diplomaten in Teheran um ihr Leben bangen müssen - zu einer Zeit, wo im wirklichen Leben ein gern mal an die Wand gemalter Krieg mit dem realen Teheran wie ein Damoklesschwert über dem US-Wahlkampf hing.

Nun erzählt »Argo« eine spannende Geschichte mit einer tollen Heldenrolle für den Star. Eine Geschichte zumal, die wahr und so ähnlich tatsächlich passiert ist. Eine Geschichte aber auch, die schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr der Geheimhaltung unterliegt, seit US-Präsident Bill Clinton sie pünktlich zum goldenen Gründungsjubiläum der CIA zur allgemeinen Kenntnisnahme freigab. Denn die 444 Tage, die das Personal der US-Botschaft in Teheran nach dem Sturm der Botschaft am 4. November 1979 in iranischer Geiselhaft aushalten musste, mögen Präsident Carter seinerzeit die Wiederwahl gekostet haben. Die Geschichte der sechs Botschaftsangehörigen aber, denen, anders als den anderen 52, die Flucht aus der Botschaft gelang und die nach zwei klandestinen Monaten in der Residenz des kanadischen Botschafters unter spektakulär absurden Umständen aus Iran geschmuggelt wurden, ist vor allem ein Loblied auf die Effizienz amerikanischen Geheimdienstpersonals. Und eine ziemlich irre Hollywood-Geschichte noch dazu.

Affleck selbst spielt den Helden, den CIA-Mann Antonio »Tony« Mendez, dessen operative Spezialität mal nicht das Infiltrieren feindlicher Gruppierungen ist, sondern das Expedieren von Personen aus gefährlichen Situationen. Weil die sechs Botschaftsflüchtigen jede Minute von den Revolutionsgarden entdeckt werden könnten und dann wenig Gnade zu erwarten hätten, ist Eile geboten. Und weil niemand, weder im Außen- noch im Verteidigungsministerium (deren notorische Rivalität hier gebührend unterstrichen wird) eine bessere Idee hat, bekommt Tony Mendez die zögerliche Erlaubnis, seine eigene, auch ziemlich hanebüchen klingende Spontanidee umzusetzen: die sechs US-Amerikaner als vorgebliche kanadische Filmcrew erst sozusagen ungesehen ins Land einreisen zu lassen und dann ganz schnell wieder aus dem Land zu befördern.

Affleck mit Vollbart und Wuschelmähne macht inmitten einer stilecht geschmacksfreien Siebziger-Jahre-Ausstattung als Schauspieler einen hinreichend starken Eindruck, um den Film zu tragen, der im Grunde zwei Stunden lang nicht mehr erzählt als Flucht, Angst, Rettungsversuch und Rettung der sechs Amerikaner. Aber er hat als Regisseur auch den Mut, seine hervorragenden Nebendarsteller für sich wirken zu lassen. So darf Victor Garber als kanadischer Botschafter für sich einnehmen, Bryan Cranston seinen knorzig-väterlichen CIA-Vorgesetzten ausspielen und Alan Arkin und John Goodman als Mendez' Mitverschworene in Hollywood eine gemäßigt patriotische, vor allem aber: angenehm spitzzüngige Persiflage auf die US-Filmindustrie abgeben. Und das Branchenblatt Variety, Hollywoods Filmindustrie-Bibel, verleiht dem Unternehmen »Argo« unwissentlich, aber zu seinem andauernden Nachruhm, einen Hauch von medialer Legitimität - selbst in den Augen islamistischer Revolutionäre.

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