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Teure Warteschleife

Abgeordnetenhaus billigt Millionennachschlag für Flughafen

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kostenexplosion beim BER-Hauptstadtflughafen inklusive der Verschiebung des Eröffnungstermins hat bereits zu 1,2 Milliarden Euro Mehrkosten geführt. Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss gestern mit der Mehrheit von SPD und CDU, im Rahmen eines Nachtragshaushalts seinen Anteil in Höhe von 444 Millionen Euro locker zu machen, die gleiche Summe hat Brandenburg bereits zur Verfügung gestellt. Als dritter Eigentümer der Flughafengesellschaft muss der Bund entsprechend seiner geringeren BER-Anteile 312 Millionen Euro zahlen. Im Haushaltsausschuss des Bundestages wurden diese Gelder gestern auch gebilligt, allerdings bleiben sie vorerst gesperrt.

Nach Schätzungen reichen die finanziellen Reserven des Flughafens nur noch bis Jahresende, dann braucht er diese Unterstützung der Gesellschafter. Der Bund möchte die Freigabe der Mittel offenbar mit der Entmachtung von Flughafenchef Rainer Schwarz verbinden, doch entsprechende Vorstöße sind bisher gescheitert.

Die Berliner Grünen wollten überhaupt kein Geld geben, jedenfalls nicht, so lange neben Schwarz auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) noch im BER-Aufsichtsrat sitzt. »Für die Verantwortlichen dieses Skandals keinen weiteren Cent«, sagte Fraktionschefin Ramona Pop gestern im Abgeordnetenhaus.

Berlins Anteil ist in einem Nachtragshaushalt verpackt, der insgesamt 850 Millionen Euro umfasst. »Mehr als die Hälfte geht jetzt für das Versagen beim Flughafen drauf«, ärgerte sich der Abgeordnete Heiko Herberg (Piraten). Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD) will die knapp 444 Millionen Euro Mehrausgaben ohne zusätzliche Schulden finanzieren. Sie sollen als Rücklage im Haushalt für 2012 eingestellt werden und erst abfließen, wenn die Flughafengesellschaft sie braucht. Nußbaum kommt entgegen, dass Berlin allein in diesem Jahr 650 Millionen Euro Steuern mehr einnehmen wird als geplant. 250 Millionen davon will er dem Flughafen spendieren, die restliche Summe über sonstige Mehreinnahmen und niedrigeren Zinsaufwand finanzieren. Pop würde die BER-Gelder gern woanders einsetzen, zum Beispiel bei der ICC-Sanierung, der Auflösung des Straßen-Sanierungsstaus. »Und die versprochenen 200 zusätzlichen Polizisten könnten damit 56 Jahre lang finanziert werden.«

Die Oppositionsparteien werteten die Freigabe der Mittel als »Blankoscheck« für die Flughafengesellschaft. Man wisse nichts über den Zeitplan für die Refinanzierung des Flughafens oder die Höhe der zu erwartenden Schadenersatzansprüche, hielt Herberg SPD und CDU vor. Die Haushaltsexpertin der LINKEN, Manuela Schmidt, warf ihnen vor, mit den Geldern aus dem Nachtragshaushalt keine sozialpolitischen Ziele zu verfolgen. So würden sie auch nicht für den vollen Lärmschutz der betroffenen Anlieger des Flughafens verwendet, sondern nur für einen »Lärmschutz light«. Dabei gehe es um das Wohl und Wehe von zigtausenden Menschen. Damit entspreche der Nachtragshaushalt auch nicht den Anforderungen an die Flughafenentwicklung und lasse einen verantwortlichen Umgang der Koalition mit den Problemen der Menschen vermissen.

Der Haushaltsexperte der SPD, Torsten Schneider, lobte, das mit dem Flughafennachschlag künftige Haushalte nicht belastet werden. Auch seien nur 110 Millionen Euro der Berliner Mehrkosten durch die Verschiebung des BER-Eröffnungstermins verursacht. Ein erheblicher Teil der Mehrkosten, etwa für Lärmschutz und das größere Terminal, wären auch bei einer pünktlichen Flughafeneröffnung angefallen, pflichtete CDU-Kollege Christian Goiny bei. Das die Koalition in dieser Angelegenheit keine gute Figur abgibt, war Beiden klar. Schneider: »Wer bei solch einem Unfall zu den Verteidigern gehört, ist immer zweiter Sieger.«

● Nach der mehrfach verschobenen Eröffnung des Flughafens haben sich dessen Kosten auf 4,3 Milliarden Euro verdoppelt.

● Das Finanzloch beträgt derzeit 1,2 Milliarden Euro, davon entfallen 344 Millionen auf baubedingte Mehrkosten und 305 Millionen auf die Umsetzung des nachgebesserten Schallschutzprogramms.

● Die Mehrkosten teilen sich die Gesellschafter des Flughafens entsprechend ihren Anteilen: Berlin und Brandenburg übernehmen je 444 Millionen Euro, der Bund 312.

● Bisher kostete der Flughafen allein den Berliner Steuerzahler 180 Millionen Euro.

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