Elfter Elfter elf Uhr elf

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun ist es wieder soweit. Im deutschen Gemüt vollzieht sich, auf kalendarischen Befehl, ein Klimawandel, der auf keiner großpolitischen Konferenz zur ökologischen Rettung der Welt auf der Agenda steht. Als gäbe es keine Leere der Geschichte: Wenn der Deutsche den Mund voll nimmt, sieht das nicht gut aus. Auch dann nicht, wenn er nur Pfannkuchen isst. Was er ab morgen tut. Faschingszeit. Ab Elftem Elften, elf Uhr elf.

Unter den Schicksalsdaten, von denen just der deutsche November bis unter die Schädeldecke satt ist, nimmt diese »fünfte Jahreszeit«, die nun beginnt, nicht gerade einen ungefährlichen Stellenwert ein. Denn wenn sich der deutsche Mensch schenkelklatschend freut, wächst der Welt vielleicht noch immer eine Gänsehaut. Wenn der deutsche Mensch lacht, zeigt er Zähne - und so vielleicht noch immer seine Wesensart? Also: Wir sind der Beißheit letzter Schluss, das liegt uns als drohender Makel im Blut. In den Herbst- und Wintermonaten dunkelt die Welt, ein natürlicher Vorgang, indes: Der deutsche Mensch ist seine ganz eigene Finsternis - aber er dunkelt nicht, sondern weit böser: er schunkelt. Leider auch ein natürlicher Vorgang. Und schunkelnde Säle, sie gleichen nicht zufällig schaukelnden Schiffen: Es wird einem bei beidem schlecht.

Bricht der deutsche Humor erst einmal aus, wie es Epidemien so an sich haben, dann gerät er zur Pflicht: »Und jetzt: alle!!!« Das ist: Karnewahl - dagegen nimmt sich jede Bundestagswahl so trist aus, als versuche dieser Spaßlaie Adorno über Fips Asmussen zu promovieren. Schlag zu, du junge Garde!, so sang man früher - nun schlägt alljährlich die Funkengarde, in Fantasiereichswehruniform, gnadendumm zurück. Und schon jetzt muss warnend prophezeit werden: Wenn tausende verunstaltete menschliche Wesen gleichförmig rhythmisch und ohne erkennbare Gehirnaktivität, bunt aber blöd, auf ein imaginäres Ziel zusteuern, dann nennt man das in Hollywood »Invasion der Zombies« oder »Nebel des Grauens« - im Rheinland aber wird das heißen: »Rosenmontagszug«. Und Carmen Nebel ist auch nicht weit.

Deutsche Geschichte ist wirklich lustig: Ich schlag dich, bis du lachst! Das gilt vor allem in den Hochburgen des Karnevals, die sich dadurch auszeichnen, dass sich Bewohner dieser Regionen weder an der Entwicklung der Schriftsprache noch an sonstigem Kulturunterricht beteiligten. So wurde aus dem hässlichen Deutschen der hessische Deutsche. Der sich zur Tarnung Jecke nennt und natürlich ein Prinzenpaar wählen wird - als würden Merkel und Westerwelle, Pofalla und Wowereit, Herr Brüderle und Frau Schröderle nicht schreiend irrwitzig genug aussehen. Aber freilich, die heißen eben nicht Wernfried der Viertel-vor-Zwölfte oder Prinzessin Trulla die Dritte.

Unser Fasching hat Kultur. Denn: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, Schnaps gehört schon auch dazu. Damit der Humor nicht zu trocken, also - nicht zu intelligent gerät. Du hast kein Kostüm? Macht nichts, Hauptsache: besoffen! Sei lauter im Herzen, sagt die allgemeine Morallehre - sei noch lauter, sagt die deutsche Geselligkeit und brüllt los. Mit klarer kritischer Kraft gegen die Weltmacht USA: Es gibt kein Bier auf Hawaii! Saftladen! Wieder so ein Gebiet, auf dem dieser Barack Obama total versagt hat.

Der Deutsche ist kein Narr, er ist ein echter Faschi. Fasching gilt als Humor, und wer sich (als Deutscher!) für humorvoll hält, der hält sich (leider) auch für einen Demokraten - so schlimme Folgen hat deutsche Lächerlichkeit. Mögen andere rauschfreudige Bevölkerungen Mummenschanz treiben - der Deutsche nimmt, indem er sich eine Maske aufsetzt, doch nur immer seine Maske ab. Weshalb der deutsche Fasching so schön entlarvend ist.

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