Akten zu »Blood & Honour« vernichtet

Verfassungsschutz-Chefin räumt weiteren Schredder-Vorgang ein / Opposition glaubt nicht an Zufall

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Ausgerechnet die Akten zu »Blood & Honour« (BH) wurden vom Verfassungsschutz geschreddert: Das Neonazi-Netzwerk, das im Jahr 2000 durch den Bundesinnenminister deutschlandweit verboten wurde, gilt inzwischen als einer der Hauptunterstützer des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU). Ohne die Hilfe der rechtsextremen »Kameraden« von »Blood & Honour« hätten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sicher nicht jahrelang im Verborgenen morden können. Zum rechtsextremen Netzwerk, dessen sogenanntes Hauptquartier in Berlin angesiedelt war, zählten beispielsweise Jan W., aber auch Thomas S. Der war seit dem Jahr 2000 bis 2011 V-Mann des Berliner Staatsschutzes und hatte dem NSU einst beim Abtauchen geholfen und laut Eigenaussage Mitte der 90er Jahren sogar Sprengstoff besorgt.

Ob sich auf diese lange bekannten NSU-Unterstützer Hinweise in den Akten des Berliner Verfassungsschutzes fanden? Aller Wahrscheinlichkeit nach wird man das nie in endgültig in Erfahrung bringen können. Der Berliner Verfassungsschutz kündigte gestern zwar an, die wahrscheinlich im Juli 2010 zerstörten Akten rekonstruieren zu wollen, ob das durch die Mithilfe anderer Verfassungsschutzbehörden gelingt, ist allerdings mehr als fraglich.

Noch am vergangenen Freitag hatte das »nd« im Zuge einer Recherche zu Berliner Altakten mit möglichem NSU-Bezug beim Verfassungsschutz explizit nach dem Verbleib von Akten zu »Blood and Honour« nachgefragt. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die Vernichtung des Vorganges offenbar lange bekannt war, hieß es von Seiten der Behörde: »Das wird gerade mit dem Landesarchiv geklärt, Prüfung ist aber noch nicht abgeschlossen.«

Die Opposition im Abgeordnetenhaus glaubt unterdessen nicht mehr an Zufälle. »Wir haben es nicht mehr mit bedauerlichen Einzelfällen« zu tun, sagt der Abgeordnete der Linkspartei, Hakan Tas, »Es sind die Strukturen, die solche Vernichtungsaktionen erst ermöglichen.« Tas kritisierte überdies, dass erneut klar werde, wie wenig Einblick die Verfassungsschutzbehörden in die rechte Szene haben. »Dass bei der Beobachtung von ›Blood & Honour keine Kontakte ins rechtsterroristische Milieu erkannt und dann noch rechtswidrig Akten vernichtet wurden«, sei ein Armutszeugnis für den Verfassungsschutz. Die LINKE fordert Innensenator Henkel auf, in seinem Laden »aufzuräumen« und »Klarheit« zu schaffen. Auch die Piraten forderten Henkel auf, ein Konzept vorzulegen, wie er in der Behörde Ordnung schaffen will. »Es ist kaum mehr möglich, bei den haarsträubenden Vorgängen im Berliner Verfassungsschutz noch an Zufälle zu glauben«, sagte der innenpolitische Sprecher der Piraten, Christopher Lauer. Benedikt Lux von den Grünen forderte, das Aktenchaos sofort zu beenden und die Arbeitsweise der Behörde »umgehend auf den Prüfstand« zu stellen.

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