Pension Weltuntergang

Wie das unterirdische NVA-Lager bei Lohmen Bürger vor der Apokalypse retten sollte

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 4 Min.

Ganz gewiss sollte einem bekannten deutschen Trinklied aus dem vorigen Jahrhundert zufolge am 30. Mai der Weltuntergang über uns kommen. In welchem Jahr, das blieb allerdings offen. Nunmehr haben sich Katastrophen- und Chaosexperten darauf geeinigt, dass die angekündigte Apokalypse anno 2012 die Erde heimsucht. Nicht im Mai, wie wir auch heuer selbst erleben konnten, sondern am 21. Dezember.

Just an diesem sonst ganz gewöhnlichen Datum endet ein wohl um die 800 Jahre alter Kalender des mittelamerikanischen Volkes der Maya. Darin ist das Wissen ihrer Priesterschaft zusammengefasst - von religiösen Bräuchen bis zur Astronomie. Manch mehr oder weniger Gelehrte schlossen aus dem abrupten Abbruch des Werkes an besagtem Datum einen direkten Zusammenhang mit einem Ende der Welt.

Dieses Ereignis von überaus historischem Rang rief nun den Biker-Club im sächsischen Lohmen und seinen Präsidenten Werner Demand (57) auf den Plan. Er ist CDU-Gemeindevertreter, dazu örtlicher Friedensrichter und Besitzer eines nur anderthalb Kilometer von der Gemeinde entfernten weitläufigen Geländes mit einem Bunker. Es wurde irgendwann vom Bundesvermögensamt gekauft und ist nunmehr Sitz des Biker-Vereins. Und ein Bezug zu den Maya ist auch da: Ein Exemplar des Maya-Kalenders vermag man in der nicht weit entfernten Staats- und Universitätsbibliothek Dresden besichtigen.

Demand und die Seinen erfanden also ihre »Pension Weltuntergang«. Man verwies im Internet-Auktionshaus Ebay auf den 21.12.2012, bot 400 Bürgern für 500 Euro 20 Quadratmeter pro Nase Platz zum Überleben im Bunker. »Artikelzustand: gebraucht«, hieß es. Essen und andere Vergnüglichkeiten mehr müsse man mitbringen. Garantien, wofür auch immer, würde es nicht gegeben. Für die Buchung bekäme man ein Berechtigungs-Zertifikat zugeschickt.

Bei dem unterirdischen System handelt es sich um ein etwa 2,8 Kilometer langes Stollensystem in der sogenannten Herrenleite am Zugang zur Sächsischen Schweiz. »Weil die Tunnel sechs Meter breit und ebenso hoch in den Sandstein getrieben wurden, sind sie mit Lkw in einer Art Rundkurs befahrbar«, sagt Bunker-Experte Paul Bergner, der sich bereits mehrfach in der weitläufigen künstlichen Höhle umgeschaut hat. Zwei Hauptstollen führten in das Innere des Berges. Sie seien viermal durch Querstollen direkt verbunden. An den Seiten einige Kammern, dazu der Zugang zum Personalbunker. Die Klimaanlagen garantierten eine konstante Luftfeuchtigkeit von 50 bis 70 Prozent - Raumtemperatur im Lagerbereich um die 12 Grad. Viel Platz für Armageddon-Freunde. Und für einige Zeit auch ausreichend gute Luft.

Laut Bergner beherbergte das Gelände im Zweiten Weltkrieg eine Schmierölfabrik und ein Mineralöllager der deutschen Luftwaffe, allen Blicken von oben durch riesige Tarnnetze über der Schlucht entzogen. Nach dem Krieg befand sich hier eine Benzinfabrik, ab 1964 ein Treibstofflager der NVA. Später bunkerte das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz in einem der Stollen leicht radioaktive Abfälle. Später entstand die NVA-Dienststelle Komplexlager 32. Es barg die Ausrüstung für eine im Kriegsfall aufzustellende Division. Und zwischendrin suchte schon mal ein nicht näher bezeichneter Trupp nach dem Schatz des Bernsteinzimmers. Wie bisher immer und überall vergeblich. Auch die Bundeswehr war schon in den Untergründen. Erst zu Studienzwecken, dann wurde Gerätschaft des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr hineingefahren und aufbewahrt. Als dieser historische Akt vollzogen war, zog man wieder um, diesmal nach Zeithain.

Inzwischen hat Biker-Präsident Demand den gesamten Weltuntergang abgesagt. Kein Überleben im Untergrund, nirgends in Sachsen, wie zu vernehmen war. Der Widerstand aus der versammelten regionalen Bürokratie erwies sich als zu groß. »Dieses Angebot wurde vom Verkäufer beendet, da der Artikel nicht mehr verfügbar ist«, liest man bei Ebay. Trotzdem sollen einige Leute gebucht haben. Zahl und Namen sind geheim. Sächsischer Datenschutz gilt auch in Sachen Weltuntergang.

Doch was immer kommen mag: Eine Weltuntergangsausfallparty im Lohmener Bunker soll auf jeden Fall am 22.12.2012 starten. »Wer ein Bett braucht, sollte sich vorher melden. Liveband. Taschenlampen und Schlaftüten nicht vergessen. Für Suff und Mampf ist gesorgt«, wird auf der Internetseite der Biker (siehe unten) geworben. Für den 30. Mai 2013 und andere Daten der folgenden Jahre sollen bereits die nächsten Partys geplant sein - wegen des Ausfalls des Weltuntergangs. Der spektakuläre Versuch, mehr Touristen nach Lohmen zu locken, scheint misslungen und zugleich gelungen zu sein.

Die Obrigkeit der Maya wehrt sich übrigens dagegen, dass Verschwörungstheoretiker irgendein Katastrophenszenario vom 21.12.2012 mit dem Kalender aus den Zeiten ihrer Hochkultur begründen. Sie nennen das Show-Event, Missbrauch von Folklore für Profit, Betrug und Lüge, wie n-tv jüngst berichtete. Für das Volk der Maya stellt das Ende des Kalenders vielmehr den Beginn eines neuen Zyklus dar, der zu Harmonie und Gleichgewicht von Mensch und Natur führen werde.

www.lohmener-sachsen.de; www.ddr-bunker.de

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