Wasserschwund trotz reichlich Regen

Experten untersuchen Phänomen im Nordosten

  • Winfried Wagner, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Regen gab es reichlich an der Mecklenburger Seenplatte - doch der Grundwasserspiegel sinkt trotzdem. Ist der Mensch schuld? Ein Greifswalder Wissenschaftler äußert Zweifel und warnt vor Panikmache.

Greifswald/Hohenzieritz. An der Mecklenburgischen Seenplatte, die als Wasserreserve bis nach Berlin gilt, sinkt trotz der vergangenen nassen Sommer der Grundwasserspiegel. Das haben Untersuchungen der Universität Greifswald im Müritz-Nationalpark ergeben, wie Mathias Küster vom Institut für Geographie und Geologie der dpa sagte.

Mehrere abflusslose Seen haben über 30 Jahre hinweg einen halben bis einen Meter Wasser verloren, wie der Springsee bei Speck und der Fürstenseer See. Dadurch würden Moorgebiete entwässert und mehr klimaschädliches Kohlendioxid frei. Auf die wirtschaftliche Nutzung habe das aber kaum Einfluss, da die großen Seen über ein Stausystem bewirtschaftet würden. Mit den regionalen Folgen globaler Veränderungen beschäftigte sich gestern auch eine Tagung in Hohenzieritz.

»Es gibt ein Bündel von Ursachen«, sagte Küster. So habe sich das Klima erwärmt und monotoner Nadelwald lasse mehr Wasser verdunsten als Laub- und Mischwälder. Außerdem wirke die landwirtschaftliche Melioration aus den 1970er Jahren immer noch stark. »Es gibt noch viele Hähne, die offen sind«, erklärte der Wissenschaftler. Insgesamt sei aber trotz der Untersuchungen noch nicht klar, inwieweit der Mensch wirklich entscheidend in den Wasserhaushalt eingreife. In dem Zusammenhang warnte Küster vor Panikmache. »Es hat in den letzten 1200 Jahren schon deutlich größere Schwankungen im Wasserhaushalt gegeben, als heute.«

Wie historische Analysen ergaben, war der Wasserspiegel der Müritz vor 1000 Jahren rund einen Meter niedriger als heute, beim Plauer See sogar zwei Meter niedriger. »Wir haben bei Vipperow Reste eines slawischen Siedlungsplatzes gefunden, der heute unter Wasser liegt«, sagte Küster. Damals müsse es eine lange Trockenperiode gegeben haben, »deutlich heißer als heute«. Dagegen hatte die Müritz im 13. und 14. Jahrhundert einen bis zu 1,70 Meter höheren Wasserstand als heute, im 18. Jahrhundert lag er erneut zwei Meter höher. »Obwohl wir noch nicht genau wissen, wie groß unser Einfluss ist, haben wir heute die Chance, Einflüsse abzumildern«, sagte Küster. So setze der Müritz-Nationalpark auf natürliche Waldverjüngung durch Buchen. Außerhalb der Schutzgebiete könnten Laubwälder Kiefernforsten ersetzen. Als Beispiel dafür, wie Verlandungsmoore wieder aktiviert werden könnten, nannte er den Zootzensee, wo Schöpfwerke abgebaut und Gräben verschlossen wurden. Das Land hat südlich der Müritz ein ähnliches Projekt - den Kiever Polder - gestartet.

Moore sind die größten Kohlendioxid-Speicher, sagte Küster. Klar sei aber auch, dass Landwirte dadurch Flächenverluste erlitten. Bei »Renaturierungen«, wie beim Zootzensee, gibt es auch immer wieder Proteste von Anwohnern, die wegen zunehmender Nässe Schäden und Wertverluste für ihre Immobilien befürchten.

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