Schlechtes Englisch tötet

Warum es zwischen Israel und der Hamas keinen Waffenstillstand gab

  • Oliver Eberhardt, Gaza
  • Lesedauer: 3 Min.
Als am Dienstag der Abend herein brach, gab es große Hoffnung: Ein Ende des Krieges im Gazastreifen schien in greifbarer Nähe. Am Mittwoch morgen hingegen war alles noch schlimmer: Israels Militär flog mehr Angriffe als zuvor, und die Hamas schoss mehr Raketen ab. Ein Überblick über die Ursachen.
Als am Dienstag der Abend herein brach, gab es große Hoffnung: Ein Ende des Krieges im Gazastreifen schien in greifbarer Nähe. Am Mittwoch morgen hingegen war alles noch schlimmer: Israels Militär flog mehr Angriffe als zuvor, und die Hamas schoss mehr Raketen ab. Ein Überblick über die Ursachen.

Einige Buchstaben können einen großen Unterschied machen: Waffenstillstand und Waffenruhe scheinen auf den ersten Blick dasselbe zu bedeuten. Die Ereignisse in der Nacht zum Mittwoch müssen in Erinnerung rufen, dass dies nicht der Fall ist – auch den Konfliktparteien.

Als Ayman Taha, ein Sprecher der Unterhändler der Hamas, die in Kairo unter ägyptischer Vermittlung mit Israel verhandeln, am späten Dienstagnachmittag mit „neues deutschland" sprach, sagte er wörtlich „die Kämpfe werden um Mitternacht stoppen" und fügte auf Nachfrage hinzu: „Es wird um 21 Uhr bekannt gegeben." Eine Information, die er auch mehreren Nachrichtenagenturen gab, und dabei, so ist zu hören, ungefähr die gleichen Worte wählte.

Daraus wurde übereinstimmend die Schlussfolgerung gezogen, dass um Mitternacht Ortszeit ein Waffenstillstand beginnen werde – eine Fehlannahme, wie sich nun zeigt: Es war kein „Waffenstillstand", von dem er gesprochen hat, sondern eine „Waffenruhe", auf arabisch Hudna; was augenscheinlich das gleiche bedeutet, nämlich ein Ende von Kampfhandlungen, aber tatsächlich erhebliche Unterschiede beinhaltet.

Bei der Hudna wird lediglich ein Ende von gewaltsamen Auseinandersetzungen vereinbart, und die Ausarbeitung der Details auf später verschoben, wobei sich beide Seiten dazu verpflichten, ernsthaft daran zu arbeiten. Ein Waffenstillstand hingegen ist in eher formeller Vertrag, in dem beide Seiten mit der Unterzeichnung Regeln festlegen, zu deren Einhaltung sie sich verpflichten.

Das Problem mit einem Waffenstillstand sei, sagt ein Mitarbeiter des ägyptischen Präsidenten Mohammad Mursi, dass beide Seiten Bedingungen stellten, die die andere Seite nicht erfüllen kann oder will. So fordert die Hamas, das Ende der Blockade und der Militärschläge im Gegenzug für die Einstellung des Raketenfeuers; Israel bietet allerdings nur die Einstellung der Angriffe unter Beibehaltung des politischen Status Quo an.

Daraus, heißt es in Ägypten, habe sich im Laufe des Nachmittags der Vorschlag herauskristallisiert, doch zunächst einmal einer Hudna zuzustimmen, als „vertrauensbildende Maßnahme", um dann, wenn dieses Vertrauen entstanden sei, die Feinheiten auszuhandeln. Die Hamas habe sich darauf hin dazu bereit erklärt, zunächst einmal unilateral das Feuer einstellen zu wollen – die „Neun Uhr, Zwölf Uhr"-Regelung, von der Ayman Taha dann sprach. Nachdem Israels Verteidigungsminister Ehud Barak allerdings wenige Stunden später erklärt hatte, die militärischen Aktivitäten gingen parallel zur Suche nach einer diplomatischen Lösung weiter, war die Waffenruhe Geschichte, bevor sie Realität wurde.

Der Ägypter gibt daran allerdings auch der Hamas eine Mitschuld: Sie hätte, so sein Vorwurf, deutlicher kommunizieren müssen, was sie plant und im Gegenzug dafür verlangt. So, wie es gelaufen sei, habe sie Israels Regierung die Möglichkeit gegeben, so zu tun, als wisse sie von nichts – ein Sentiment, dass auch Vertreter von anderen, an den Verhandlungen beteiligten Staaten, teilen: Von einer „verpassten Super-Chance" ist die Rede, und davon, dass „schlechtes Englisch Menschen getötet" hat.
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