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Rauch-Zeichen

Rainer Klis verfasste ein Brevier zur Havanna

  • Klaus Funke
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit 35 Jahren bin ich Nichtraucher. Ist das nichts? Und nun dieses Brevier zur »Havanna«! Der Klis weiß wirklich alles, rund um die Zigarre und das Zigarre-Rauchen. Die Welt des getrockneten und gedrehten Tabakblattes! Ich kannte sie bisher nicht. Eine fremdländische, eine genussvolle, eine behagliche Welt. Es scheint, als säße man mit dem Autor gemütlich beisammen, und er erzählt seine Anekdoten, einen Fakt nach dem anderen, unaufdringlich, mit Witz und Hintersinn. Und das Kistchen mit den Havannas immer in Griffweite.

Also las ich und las und las. Was wird einem da nicht alles erzählt. Wussten Sie, wie viele Zigarren Winston Churchill täglich rauchte? Oder welche weltgeschichtlichen Folgen eine Zigarre hatte, die der preußische General Moltke von seinem Kanzler Bismarck bekam? Waren Sie schon einmal in einer kubanischen Zigarrenfabrik? Wussten Sie, dass Fidel Castro und Che Guevara einen persönlichen Zigarrenmacher hatten? Und dass Che die Sorte »Lancero« über alles schätzte? Haben Sie eine Ahnung, dass den Zigarrenmachern auf Cuba während ihrer Arbeit immer Romane der Weltliteratur vorgelesen wurden? Und dass deshalb eine Zigarrenmarke nach ihrem erklärten Liebling, dem Grafen von Monte Christo, benannt wurde? Zu teuer für unsereinen: Sie kostet sage und schreibe 42 Euro das Stück. Und sie ist so lang und dick, dass es beinahe schon unanständig ist. Unzählige solcher liebenswerten Einzelheiten könnte ich aufzählen. Das Büchlein ist voll davon.

Fast alle berühmten Zigarrenmarken der Havanna werden beschrieben. Ein wahres Zigarren-Kaleidoskop. Da hat das Büchlein natürlich auch ein Verführungspotenzial. Sind wir doch alle neugierig, verführbar und genusssüchtig. Oder nicht? Und wie schnell kann aus einem Nichtraucher ein Zigarrenraucher werden, vor allem dann, wenn einem andauernd gesagt wird, dass der Nikotingehalt der Zigarren niedrig sei, dass man sie um Gotteswillen nicht auf Lunge rauchen soll und dass sich diese und jene Sorte ganz prima für den Anfänger oder den Nichtraucher eignet. Freilich höre ich schon ein paar Gesundheitsexperten, die da warnen vor Mundkrebs und Kehlkopfkrebs, doch passionierte Zigarrenraucher sind fast ausnahmslos bemerkenswert alt geworden. Ob das mit dem Genuss zu tun hat?

Dieses Buch von Rainer Klis ist, das muss man sagen, der pure Genuss, wenn auch die eingeschobenen Rückblenden in die kubanische und mittelamerikanische Geschichte mit den Grausamkeiten der Eroberer einem die Haare zu Berge stehen lassen. Noch eines muss ich hier erzählen. Es ist so kurios. Klis berichtet, dass er in seinem Waffenschrank einen Zigarrenstummel unter Verschluss hält, der den Etikettaufdruck trägt: »Seine Majestät Kaiser Wilhelm II - geraucht am 24. Januar 1896 beim Herrn Admiral von Senden-Bibran, Voßstraße 25 I«. Nun sinniert er, dass er diesen Stummel aufheben will, um den »Genabdruck seiner Majestät der Nachwelt zu erhalten«. Ist das nicht toll?

Doch, Klis hält sich nicht damit auf, denn schon ist er bei seiner Geschichte der Havannas in Barcelona bei dem Tabakhändler Cimenes, wo er zwei edle Marken kauft, die »niemanden überfordern und doch in Erinnerung bleiben« - Patricias und Petit Coronas. Weiter geht es. Er berichtet über Marken, die er »die Luftige« nennt oder »Die Ausnahme« oder »Das reizvollste Kind der Vuelta Abajo« - die kleinste Havanna. Weitere Marken treten auf - ein wahrer Havanna-Reigen. Es wird einem taumelig davon. »Am besten bewegt man sich so bedachtsam durch den begehbaren Humidor seines Fachhändlers wie im Wald auf Pilzsuche und sieht, was gekommen ist. Dass das gesuchte Stockschwämmchen sich vom Gift-Häubling nur durch einen flüchtigen Mehlgeruch unterscheidet und man sich noch immer auf seine Nase verlassen konnte, ist das eine. Das andere ist: Letzte Gewissheit erlangt nur, wer es mannhaft probiert …«

Und das, liebe Freunde, will ich nun auch tun, und ich wette, ich werde mit einer Cohiba Siglo Uno anfangen, in die Welt der Zigarrenraucher einzutreten.

Rainer Klis: Rauch-Werk. Brevier zur Havanna. Eulenspiegel. 80 S., geb., 9,95 €

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