»Ruanda verfolgt einen teuflischen Plan«

Der Sprecher der Universität in Goma, Bakenga Dieudonné, über die Situation in der Stadt und die Rohstoffinteressen des Nachbarlandes

  • Lesedauer: 4 Min.
Bakenga Dieudonné ist Sprecher der Freien Universität der Großen-Seen-Staaten in Goma (Université Libre des Pays des Grands Lac). Die Universität hat den Unterricht bis auf Weiteres eingestellt. Über die Lage in Goma und im Osten der DR Kongo sprach mit Dieudonné für »nd« Markus Schönherr.

nd: Wie war die Stimmung in Goma am Tag der Übernahme vor einer Woche?
Bakenga Dieudonné: Nur Politiker und Militärangehörige gingen auf die Straße. Alle anderen Bewohner schlossen sich in ihren Häusern ein. Deshalb dauerte die Schlacht um Goma auch nur sehr kurz und forderte keine zivilen Opfer.

Wie sieht die Menschenrechtssituation in Goma jetzt aus?
Allem voran: unklar. Die Rebellen propagieren zwar Frieden und behaupten, mit der Gewalt an Zivilisten nichts zu tun zu haben. Allerdings berichten die Bewohner von Verschleppungen, Kreuzverhören und Vergewaltigungen. Die rund 100 000 Menschen, die aus der Stadt flüchteten, begaben sich selbst in eine Notlage: ohne genügend Wasser, Nahrung, Medikamente, Decken und Zelte. In Goma gibt es weder fließendes Wasser noch Strom, seit eine Bombe den Mast einer Hauptleitung zerstört hat. Die Rebellen blockieren auch den Verkehr für Schiffe am Kivu-See, wodurch viele Bewohner Gomas nicht mehr ihre Arbeit in Bukavu erreichen.

Wie geht es den Studenten an Ihrer Universität?
Der Unterricht wurde bis auf Weiteres eingestellt und das Personal ist außer Dienst. Der Entschluss fiel jedoch nicht aus Bedenken über Menschenrechtsvergehen, sondern aus Protest gegen die Kriegsherren. Übergriffe auf Studenten oder Dozenten gab es bisher nicht.

Der General Bosco Ntaganda rief die M23 erst im April dieses Jahres ins Leben. Wie erklären Sie sich ihren Erfolg?
Tatsächlich ist die M23 weder erfolgreich noch besonders stark. Dies sind ausschließlich die Attribute der ruandischen Armee und die kämpft im Feld für die Rebellen. Die M23 ist eine Gruppierung von nur 1250 unerfahrenen Kämpfern und könnte allein niemals die nationale Armee herausfordern. Wir erleben einen Stellvertreterkrieg, in dem die nationale Armee nicht gegen die ruandischen Streitkräfte (RDF) ankommt, die offiziell von den Offizieren des M23 vertreten werden. Die ruandischen Streitkräfte wiederum wurden in den letzten Jahren von internationaler Seite ausgestattet.

Wie steht es um den Einfluss Ruandas auf die Rebellenbewegung M23?
Ruandas Unterstützung für die M23-Bewegung ist unübersehbar. Am Tag, an dem Goma eingenommen wurde, kämpften auch ruandische Soldaten in den Straßen. Sie trugen RDF-Uniformen und sprachen die für Ruanda typische Stammessprache Kinyarwanda. Kongolesen, die nahe der Grenze wohnen, konnten beobachten, wie RDF-Kämpfer ins Land strömten. Seit Langem verfolgt Ruanda einen teuflischen Plan für die DR Kongo. Dazu gehört, Unsicherheit im Osten des Landes zu verbreiten, um die Region zu schwächen. Ruanda beansprucht sein Stück der reichen Rohstoffvorkommen. Für diesen Preis infiltriert Ruanda die kongolesische Armee und untergräbt die Bevölkerung.

30 Kilometer südlich von Goma liegt Bukavu. Handelt es sich nur um eine Frage der Zeit, bis die Rebellen auch diese Stadt eingenommen haben?
Die Schlacht um Bukavu wird keine einfache für die M23. Die Menschen und Nachbarschaften in Bukavu halten fest zusammen und für die Soldaten aus Ruanda bildet der Ruzizifluss eine schwer überwindbare Grenze. Der Druck auf die Regierung ist mittlerweile so groß, dass Präsident Kabila vermutlich weitere Truppen in die Region abstellen und untreue Soldaten isolieren wird.

Am vergangenen Wochenende fanden erste Gespräche zwischen den Rebellen und der Regierung statt. Geeinigt haben sich die Parteien jedoch nicht …
Tatsächlich existiert die M23 nur auf Grundlage der ruandischen Armee und dient ausschließlich ihren Interessen. Deshalb müsste und könnte nur die ruandische Regierung mit den Rebellen verhandeln, um Goma freizugeben und den Frieden wiederherzustellen.

Nur wenige Stunden nach der Besetzung Gomas traf Präsident Kabila auf den ruandischen Machthaber Kagame. Weshalb?
Der Besuch war inoffiziell. Daher glaube ich, dass sich die beiden über ihre persönlichen Interessen in der DR Kongo austauschten und darüber, wie sie von ihrem Reichtum profitieren können. Da beide den Druck seitens des Sicherheitsrats spüren, mussten sie sich treffen, bevor die Rebellen Goma verlassen.

Europäische Medien beschuldigten die Blauhelmsoldaten der MONUSCO-Stabilisierungsmission, während des Überfalls der M23 untätig geblieben zu sein. Wie lässt sich das erklären?
Weil sie im Interesse der internationalen Gemeinschaft handeln. Die meisten Kongolesen haben sich damit abgefunden und vertrauen auch nicht mehr auf die Friedenssoldaten. Die UN-Truppen sind gut ausgerüstet und könnten kämpfen, aber New York pocht auf eine ausschließliche Verteidigungsrolle. Damit vertreten die Soldaten nicht die Kongolesen, sondern einzig die Interessen ihrer Bosse.

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