Gedenken ohne Kinderarbeit
Bayerische Kommunen verlangen saubere Grabsteine
München. Die letzte Ruhestätte soll würdig sein, ein Ort zum Erinnern und Nachdenken. Viele Menschen entscheiden sich deshalb für Grabsteine mit goldener Inschrift oder Bronzelettern. Das kostet, und die Angehörigen sind froh, wenn sie mehr Stein für weniger Geld bekommen. Warum manche Grabmale billiger sind als andere, wird oft nicht hinterfragt. Und so stehen auch auf deutschen Friedhöfen Steine, die durch Kinderarbeit entstanden sind. Immer mehr Kommunen sind hellhörig geworden, darunter die Stadt Nürnberg. Vom 15. Januar 2013 an müssen Steinmetze dort nachweisen, dass ihre Steine ohne Kinderausbeutung hergestellt wurden. Andere Gemeinden verlangen das auch - oder haben dies zumindest vor. Insgesamt halten die Kommunen im Freistaat dies sehr unterschiedlich. »Nürnberg ist die Stadt der Menschenrechte, und in dem Zusammenhang wird Kinderarbeit geächtet«, sagt der Friedhofsverwalter Günther Gebhardt. Nur Steine, die in der EU oder der Schweiz gebrochen und bearbeitet wurden, gelten als unbedenklich. Für alle anderen sind Zertifikate erforderlich. Das entspricht auch den Vorstellungen des Bayerischen und des Deutschen Städtetages.
Kontrollen sind schwierig
In Satzungen hatten Nürnberg und München dies schon 2009 verlangt, zum Ärger eines Steinmetzes, der dagegen klagte. Die Stadt dürfe sich nicht in das Rechtsverhältnis zwischen Steinmetz und Hinterbliebenen einmischen, monierte er. Die Nürnberger gingen durch alle Instanzen, bis ihnen im Juli 2012 der Bayerische Verfassungsgerichtshof recht gab. Gebhardt ist optimistisch, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Regelung auch akzeptiert: »Es gibt eine Reihe von Bundesländern, die haben das sogar ins Bestattungsgesetz aufgenommen.« So wie Baden-Württemberg, wo die Kommunen laut Gesetz die Aufstellung von Grabsteinen aus Kinderarbeit per Satzung verbieten dürfen. Die bayerische Staatsregierung lehnte dies im Sommer als überflüssig ab.
Auch in München wartet man auf die höchstrichterliche Entscheidung aus Leipzig. »Wenn es positiv ausgeht, dann werden wir die Satzung wiederbeleben«, sagt die Leiterin der städtischen Friedhöfe, Kriemhild Pöllath-Schwarz. Allerdings klappt es auch freiwillig schon sehr gut. »Die Trauernden machen da mit«, berichtet Pöllath-Schwarz, die das Thema auch im Deutschen Städtetag vertritt. Das bestätigt auch Bayerns Landesinnungsmeister Hermann Rudolph aus Obergünzburg im Ostallgäu: »Die Kunden sind sensibel für Nachhaltigkeit, Ökologie und faire Handelsbedingungen.«
Während Passau so eine Regelung nicht hat, sind die Zertifikate in Kempten Pflicht. Der Leiter des Rechts- und Ordnungsamtes räumt jedoch ein: »Es ist schwierig zu kontrollieren.« Das weiß man auch in Augsburg. »Es ist uns lieber, dass jeder einzelne Steinmetz hinter der Sache steht«, sagt Friedhofsverwalter Helmut Riedl. Augsburg vereinbarte mit der Innung Nordschwaben, dass deren Mitglieder nur saubere Steine beziehen. Auch Ingolstadt oder Regensburg erwägen die Einführung solcher Bescheinigungen, die Vereine wie Xertifix vergeben. In Schweinfurt hält man das Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit nächstes Jahr für möglich. Ähnlich sieht es in Aschaffenburg aus. Auch die Würzburger wollen 2013 nachziehen. »Im Dezember 2011 hatten die Grünen einen entsprechenden Antrag eingereicht, der viel Zustimmung fand«, so Stadtsprecher Georg Wagenbrenner.
Schuften im Steinbruch
Landesinnungsmeister Rudolph schätzt, dass 40 bis 45 Prozent der Grabzeichen fertig produziert nach Deutschland kommen, auch aus China, Indien oder Afrika. Benjamin Pütter weiß, wie die Steinbrüche dort aussehen, weil er sie immer wieder kontrolliert. Der Experte für Kinderarbeit beim katholischen Hilfswerk Misereor kennt die schlimmen Folgen, wenn Kinder mit schweren Schlagbohrmaschinen hantieren, umgeben von Hitze, Staub und Steinsplittern. »Da ist es nicht nur wichtig, die Kinderarbeit zu verbieten«, so Pütter. »Sie müssen auch schauen, dass die Erwachsenen einen Lohn bekommen, mit dem sie und ihre Kinder überleben können.«
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