Die Idee ist größer als die Bewegung selbst

Ein Gespräch über Anarchismus in den USA und die Bedeutung des Schwarzen Blocks

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor, Sozialwissenschaftler und Aktivist aus New York, AK THOMPSON, hat ein Buch veröffentlicht über die Militanz der globalisierungskritischen Proteste um die Jahrtausendwende und die Debatten, die diese provozierten. Er untersucht darin, warum die damals aufgeworfenen Fragen bis heute Bewegungen wie Occupy beeinflussen. Mit ihm sprach JASON KIRKPATRICK.

nd: Ihr Buch wurde in den USA von dem kleinen anarchistischen Verlag AK Press veröffentlicht. Wir stark ist die anarchistische Bewegung in den Staaten?
Thompson: Bewegungen sind niemals so groß oder kohärent wie sie sein sein müssten. Nichtsdestotrotz hatten Anarchisten nach der globalisierungskritischen Bewegung einen wichtigen Einfluss auf weitere Mobilisierungen, die jüngste Occupy-Bewegung eingeschlossen. Der Staat benutzt die angebliche Bedrohung durch anarchistische Gewalt, um drakonische Sicherheitsmaßnahmen zu rechtfertigen. Während also die Zahl der organisierten Anarchisten klein bleibt, ist die Verbreitung ihrer Ideen in Bewegungen wie auch die fortwährende Beschwörung anarchistischer Gefahren durch den Staat viel größer.

Ist der Schwarze Block ein verbreitetes Phänomen?
Auch die Idee des Schwarzen Blocks ist größer als der Block selbst. Während der Demonstrationen gegen die G 20 im kanadischen Toronto im Sommer 2010 machte der Schwarze Block nur eine winzige Fraktion aus, dennoch prägte er die Situation und wurde das Hauptthema. Einerseits zeigt das, wie das politisch verarmte Nord-Amerika tickt. Gleichzeitig wirft es ein Schlaglicht darauf, wie der Schwarze Block - einfach nur, weil es ihn gibt - fundamentale Fragen aufwirft darüber, was es bedeutet, politisch zu sein. Er ist ein wichtiger Referenzpunkt für Menschen, die sich mit ihm identifizieren genauso wie für die, die es nicht tun.

Was will der Schwarze Block eigentlich und hat er jemals eines seiner Ziele erreicht?
In Nordamerika ist seine größte Leistung seine radikale Verneinung von Forderungen an die Politik. Auf diese Weise hat er dazu beigetragen, die Vorstellung zu verbreiten, dass die grundsätzliche Voraussetzung aller Politik das Infragestellen von Souveränität ist. Um es zu betonen: Diese Ideen sind weiterhin absolut marginal. Aber die Weigerung von Occupy, konkrete Forderungen aufzustellen, weil die Bewegung glaubt, damit die Macht der gewählten politischen Repräsentanten zu legitimieren, deutet an, wie sich dieser Gedanke verwurzelt. Die Erfolge sind aber ambivalent: So insistierte die Occupy-Bewegung zugleich auf das vom Staat garantierte Versammlungsrecht, als ihre Zeltcamps geräumt wurden.

Kürzlich hat das FBI V-Männer benutzt, islamistische Extremisten und radikale Aktivisten zu ermutigen, Verbrechen zu begehen, um sie dann einsperren zu können. Wie wird das in der amerikanischen Öffentlichkeit bewertet?
Die Menschen sehen das als Falle. Im April 2001 wurde eine kleine Gruppe mit dem Namen »Germinal« wegen eines Bombenanschlag eingesperrt, der maßgeblich von einem verdeckt arbeitenden Polizisten organisiert wurde. Man darf nicht vergessen: Sicherheitskräfte in Kanada und den USA haben »Demonstranten« und »Terroristen« schon gleichgesetzt, bevor der sogenannte »Krieg gegen den Terror« überhaupt begonnen hat.

AK Thompson: Black Bloc, White Riot. Anti-Globalization and the Genealogy of Dissent, mit einem Vorwort von Bernardine Dohrn. Die heutige Jura-Professorin war Ende der 1960er Jahre Mitglied der militanten US-amerikanischen Stadtguerilla-Organisation »Wheather Underground«. Infos und Bestellung: www.akpress.org.

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