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Ohne falsche Erwartungen

  • Wiljo Heinen
  • Lesedauer: 3 Min.

Das »soziale Netzwerk« Facebook ist eine zu Werbezwecken inszenierte Illusion offener Kommunikation, aufgebaut, programmiert und gesteuert von der Facebook Inc. - einem Unternehmen mit einem derzeitigen Börsenpreis von etwa 60 Milliarden US-Dollar. Dieses Unternehmen ist bei Strafe seines Untergangs gezwungen, Profit zu erwirtschaften - und das nicht zu knapp: Sein Aktienkurs sagt, dass die Eigentümer einen Profit von drei bis sechs Milliarden US-Dollar jährlich erwarten - nach Steuern und Abschreibungen. Bekennenderweise will die Facebook Inc. diese Profite aber nicht durch Zahlungen der Facebook-»Nutzer« realisieren.

Ein Missverständnis vieler Nutzer ist, dass sie »Kunden« von Facebook Inc. seien, Facebook also vor allem ihre Interessen befriedigen müsse. Tatsächlich aber sind sie die Ware, die das Unternehmen anbietet. Genauer betrachtet verkauft Facebook die Aufmerksamkeit seiner Nutzer meistbietend an Werbetreibende: Gerade jetzt kann ich dafür bieten, meinen Slogan 24 180 Personen in Deutschland zu zeigen, die über 20 Jahre alt sind, einen Hochschulabschluss haben, sich für Nachrichten interessieren und Single sind.

Dass das Zuckerberg-Unternehmen die Interessen seiner Werbekunden in den Vordergrund stellen muss, erklärt ohne Weiteres dessen schwierigen Umgang mit dem Datenschutz der Nutzer: Je genauer Facebook über die persönlichen Verhältnisse und Vorlieben seiner Nutzer-Ware Bescheid weiß, umso zielgerichteter, und damit teurer, lassen sich »gesponserte Mitteilungen« anbringen. Das »Datenschutz-Problem« ist dem Geschäftsmodell der Facebook Inc. inhärent.

Dennoch halte ich den Mangel an »Datenschutz« nicht für die größte Gefahr, die das augenblickliche De-facto-Monopol des »sozialen Netzwerks« birgt. Was »privat« sei und wie damit umgegangen wurde, war immer gesellschaftlich definiert. Bedenklicher ist das Missverständnis, es handele sich bei Facebook um eine »offene Plattform zur Kommunikation«.

Facebooks Verhältnis zur offenen Kommunikation ähnelt dem Verhältnis der »Casted-Reality-Shows« im Kommerz-TV zur Wirklichkeit. Bei Facebook sorgen ausgefeilte (und zum Teil dokumentierte) Verfahren dafür, dass ein Nutzer in seiner Liste von Neuigkeiten (»Timeline«) vornehmlich das sieht, was ihm gefällt. Dinge, die ihm missfallen könnten, werden, wenn überhaupt, nur verschämt angezeigt. Maßstab ist das Klicken des »Gefällt-mir«-Knopfes: Umso öfter ich auf diesen Knopf klicke, umso mehr wird mir angezeigt, was mir gefällt, umso weniger, was mir missfallen könnte.

Die Strategie ist klar: Je mehr Kommunikation angezeigt wird, die dem Nutzer gefällt, umso mehr wird er »bei der Stange gehalten«. »Kognitive Dissonanz«, die Wahrnehmung von Dingen, die der eigenen Weltsicht widersprechen, muss vermieden werden in einem idealen Werbeumfeld, als das sich Facebook seinen Kunden andient. So wird eine eingeschränkte Wahrnehmung der Wirklichkeit erzeugt, ähnlich der »search bubble« von Google Inc. (wo der Benutzer auch vornehmlich das angezeigt bekommt. was er erwartet). Das Entdecken von Neuem, von Alternativen, wird unterdrückt. Wohin dies unter Kontrolle eines profitorientierten Unternehmens führt, muss nicht ausgeführt werden.

Wie also sollten Linke Facebook benutzen? Die Nutzung muss mit der Erkenntnis erfolgen, dass »soziale Netzwerke« per se den Austausch von Gleichgesinnten bevorzugen, und ohne übermäßige Hoffnung auf »gesellschaftliche Diskurse« - denn was den Nutzern nicht gefällt, bekommen sie nicht zu sehen. Unterschwellige und durchdachte Angebote wären zu machen, die »gefallen« - ohne sich dabei den Ziegen zum Fraß vorzuwerfen.

Facebook zeigt, welche Potenziale das Internet zur demokratischen Umgestaltung der Gesellschaft liefern könnte - wenn man es von den Beschränkungen im Kapitalismus befreite. Die Idee eines öffentlich-rechtlichen »Facebook« könnte eine sein, deren Umsetzung selbst im Kapitalismus mehr Partizipation brächte.

Wiljo Heinen ist Diplom-Volkswirt. Seine erste Begegnung mit dem Internet war 1986, 1992 gründete er einen der ersten kommerziellen Internet-Provider in Deutschland, heute ist er Verleger. Sein facebook-Profil: www.facebook.com/wiljo.heinen

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