Geldverschwendung für die Nimmersatten?

MEDIENgedanken: ARD, ZDF und die Haushaltsabgabe

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Beginn dieses Jahres gibt es kein Entkommen mehr, die Haushaltsabgabe hat die sogenannte GEZ-Gebühr abgelöst; zahlen müssen nun faktisch alle an die öffentlich-rechtlichen Sender, egal, ob sie ein TV-Gerät besitzen oder nicht. Doch wofür zahlen sie überhaupt? Für ein System, das nimmt, aber nicht satt wird. Das meint jedenfalls der Medienjournalist Hans-Peter Siebenhaar und hat diese Kritik in einem Buch niedergeschrieben. Die 240 Seiten von »Die Nimmersatten - die Wahrheit über das System ARD und ZDF« (Eichborn-Verlag) sind ein einziger Protest gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland! Die Offiziellen, Intendanten und Fernsehdirektoren kommen dabei denkbar schlecht weg. Sie konnten oder wollten ihm keine Details und genauen Zahlen nennen. Die Mitarbeiter aus den Redaktionen redeten mit ihm nur »off the records« und waren daher nur bedingt zitierfähig.

Zu kritisieren gibt es für den Redakteur des »Handelsblattes« viel: Die Anstalten sind dank jahrzehntelang garantiert steigender GEZ-Einnahmen komfortabel alimentiert. Die Haushaltsabgabe ist für Siebenhaar faktisch eine ARD-ZDF-Steuer, die auch gleich über das Finanzamt eingetrieben werden könnte. Die Sender sind für ihn in erster Linie aufgeblähte Verwaltungen, in denen viel zu viel Geld in die Apparate, in die weit verzweigten über hundert Tochterfirmen wie die Bavaria Film, Studio Hamburg oder ZDF Enterprises oder eben in völlig unverhältnismäßig hohe Pensionen fließen. Warum müssen die Intendanten der Sender mehr verdienen als die Bundeskanzlerin oder der Bundespräsident, fragt Siebenhaar.

Viel zu wenig aber wird Geld in ein qualitativ-kritisches oder gar den Bürger aufklärendes politisch hintergründiges Programm gesteckt. Unzählige Millionen werden stattdessen etwa für Unterhaltungsshows mit Spitzengagen für so genannte Starmoderatoren verpulvert. Jauch und Co. haben ihre eigenen Produktionsfirmen und melken die Sender Talk für Talk, wo sie nur dürfen und können.

Siebenhaar steht mit seiner Kritik nicht allein. Nach Schätzungen der »Allianz Deutscher Produzenten Film & Fernsehen«, der Dachorganisation der freien Produzenten in Deutschland, geben ARD und ZDF rund 2,2 Milliarden Euro für TV-Auftragsproduktionen aus. In welche Kanäle das Geld genau fließt, wissen nur Eingeweihte. Der Markt für Kaufproduktionen sei daher von einem hohen Maß an Verflechtung und weitgehender Intransparenz gekennzeichnet, meint die Medienwissenschaftlerin Insa Sjurts. Wer dagegen protestiere, erhalte von ARD und ZDF eben keine Aufträge mehr.

Die Kritik ist berechtigt. Ohne mit der Wimper zu zucken, geben die Sender allein für Sportübertragungsrechte dreistellige Millionenbeträge aus, anstatt sich wirklich kritisch mit dem Sportzirkus, Stichworte Doping oder Gewalt im Stadion, auseinanderzusetzen. Die Finanzskandale der letzten Jahre, ob nun beim KiKa in Erfurt, die Korruption des HR-Sportchefs Jürgen Emig oder der Drehbuchselbstverkauf der einstigen NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze zeigen, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten längst zu Selbstbedienungsläden für Führungskader verkommen sind. Das Publikum, vor allem das jüngere, erreichen die beamtenähnlichen Sender dabei immer weniger. Hinzu kommt der fatale Einfluss der Politik in den Rundfunkräten. Intendanten werden nicht nach Kompetenz oder gar in einem transparenten Bewerbungsverfahren ausgewählt, sondern von den Partei-Politikern hinter verschlossenen Türen ausgekungelt. Siebenhaar entdeckt ein Karussell der Gefälligkeiten. Wer lieb und nett zu den Regierenden ist, der darf anschließend auch Pressesprecher der Bundesregierung werden oder umgekehrt eben Intendant etwa beim Bayrischen Rundfunk.

So massiv und berechtigt die Kritik des Printjournalisten auch sein mag, so falsch ist sein Alternativangebot. Für Siebenhaar reichen die Privatsender, Google, Youtube und Co. zur audiovisuellen Informationsvermittlung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, einst von den Alliierten als demokratisch-mediale Nachhilfeschule im Nach-Nazi-Deutschland aufgebaut, habe im multimedialen Internetzeitalter seine Daseinsberechtigung längst verloren, meint Siebenhaar. Dass aber die öffentlich-rechtlichen Sender nicht nur von sicherlich auch inkompetenten und obrigkeitshörigen Spitzenverdienern verwaltet, sondern von Tausenden freien und festen Mitarbeitern betrieben werden, die sich ehrlich Tag für Tag um ein gutes Programm nicht nur im Fernsehen, sondern vor allem auch im Hörfunk bemühen, blendet der »Handelsblatt«-Journalist leider aus. In den Redaktionen wird die Basis-Medienarbeit für den Bürger geleistet. Von Verschwendung kann dort kaum die Rede sein.

Nicht wenige etwa freie Autoren müssen dank der Sparvorgaben von oben längst in zum Teil prekären Verhältnissen arbeiten. Siebenhaar sieht nur die Spitze der öffentlich-rechtlichen Verschwendung in den obersten Etagen der Rundfunkhäuser. Die tragende und für die Menschen wohl wesentlich wichtigere Menge der täglichen Informationsvermittlung sieht er leider nicht. Diese aber den privaten Sendern oder allein dem Internet zu überlassen, ist angesichts der immer noch einmaligen und herausragenden Qualität vor allem des öffentlich-rechtlichen Hörfunks als fatal zu bewerten.

Der Autor ist evangelischer Theologe und freier Journalist in Berlin.

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