Schleppender Wiederaufbau in Haiti

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.

»Unsere Zukunft hängt von uns ab.« Die Aussage des haitianischen Präsidenten Michel Martelly ist aller Ehren wert. Doch die Realität trifft sie nur unzureichend: Haitis Zukunft drei Jahre nach dem desaströsen Erdbeben vom 12. Januar hängt nicht allein und auch nicht zuvorderst von den haitianischen Einwohnern ab. Erst wenn die Weichen international für Haiti richtiggestellt werden, kann der haitianischen Bevölkerung die Hauptverantwortung für den Wiederaufbau übertragen werden. Das ist nach wie vor bestenfalls in Ansätzen in Sicht.

Was Haiti seit Jahren braucht - längst vor dem Erdbeben und dem Wirbelsturm Sandy 2012 - ist ein entwicklungspolitisches Konzept, das mittelfristig tragfähige Strukturen schafft, die die Karibikinsel nach und nach aus der Abhängigkeit von internationalen Gebern befreien. An solchen Strukturen wird bisher nur im kleinen Rahmen von manchen Nichtregierungsorganisationen, beileibe nicht von allen, gearbeitet: landwirtschaftliche Schulungen, Lieferung von Saatgut und Zuchttieren, Bewässerung und Aufforstung sind dabei neben dem Bau von erdbebensicheren Unterkünften zentrale Aufgaben.

Die offizielle Strategie, die Haitis Regierung von den Gebern vorgegeben wird, knüpft dagegen an der gescheiterten Strategie aus den 80er Jahren an: Aufbau von Billiglohnfabriken und Liberalisierung des Agrarsektors. Der erste Industriepark in der Nähe von Cap-Haïtien wurde schon eingeweiht: frei von Gewerkschaften und für 15 Jahre frei von Steuern.

Um Haiti in die Lage zu versetzen, statt am Tropf zu hängen Überschüsse zu erzielen, müsste die Liberalisierungspolitik umgedreht werden, die das Land ins Elend gestoßen hat. Eine Insel, die im 18. Jahrhundert die profitabelste Kolonie Frankreichs war und auch nach der Unabhängigkeit 1804 nie den realen Ketten kolonialer Abhängigkeit entrinnen konnte.

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