»Fiktive« Miete kann nicht Existenz sichern

Bundessozialgericht schiebt Hartz-IV-Kürzung Riegel vor

  • Lesedauer: 3 Min.
Jobcenter dürfen Hartz-IV-Leistungen nicht wegen »fiktiver Einnahmen« kürzen. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am 29. November 2012 verkündeten Urteil entschieden (Az. B 14 AS 161/11 R). In einem weiteren Fall stellten die obersten Sozialrichter zudem klar, dass auch bei einer erhaltenen, aber sofort ausgegebenen Steuererstattung eine generelle Hartz-IV-Kürzung unzulässig ist (Az. B 14 AS 33/12 R).

Fall 1: Das Jobcenter Kreis Pinneberg hatte einen Hartz-IV-Bezieher aufgefordert, wegen einer zu teuren Wohnung die Unterkunftskosten zu senken. Statt 467 Euro seien für die Eineinhalb-Zimmer-Wohnung nur 367 Euro Warmmiete angemessen. Der Mann hatte daraufhin einen Untermieter aufgenommen. Doch der Untermieter zahlte den vereinbarten Mietzins nicht.

Das Jobcenter wollte dennoch nur einen Teil der Unterkunftskosten übernehmen. Auch wenn der Untermieter die Miete schuldig geblieben sei, sei das Geld als »fiktive Einnahme« anzurechnen, argumentierte das Jobcenter.

Dem widersprach das Bundessozialgericht. Es seien nur tatsächliche Einnahmen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II mindernd zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung einer »fiktiven Einnahme« als bedarfsmindernd sei ausgeschlossen.

Fall 2: Verausgabte Steuerrückerstattung mindert nicht Hartz-IV-Leistung. Wird eine Steuererstattung vom Arbeitslosengeld-II-Empfänger sofort zur Tilgung eines Hausdarlehens voll ausgegeben, darf diese nicht als Einnahme mindernd auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden. Eine Kürzung sei nur bei »sozialwidrigem Verhalten« zulässig. Auch dann müsse aber noch das Existenzminimum gewährleistet werden.

In dem Rechtsstreit waren die Kläger, eine fünfköpfige Familie aus Duisburg, ab März 2009 auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Nur einen Monat später erhielten sie von ihrem Finanzamt eine Einkommenssteuererstattung. Das Geld benutzte die Familie sofort zur Darlehenstilgung ihres Eigenheims.

Als die Kläger zum September 2009 einen Hartz-IV-Folgeantrag stellten, erfuhr das Jobcenter von der Zahlung des Finanzamtes. Die Behörde kürzte daraufhin die Hartz-IV-Leistung. Die Kläger wandten ein, dass mit dem Folgeantrag ihre Hilfebedürftigkeit neu zu prüfen und ihre Existenzsicherung zu gewährleisten sei. Das Jobcenter dürfe deshalb nicht inzwischen verbrauchte Einmalzahlungen als Einkommen berücksichtigen und dann die Unterstützung mindern.

Das BSG entschied, dass grundsätzlich das Existenzminimum der Familie gesichert werden müsse. Das Jobcenter könne nicht die Hilfen wegen des Erhalts einmaliger Einnahmen verweigern. Die Behörde müsse in jedem Einzelfall prüfen, ob das Geld extra schnell ausgegeben wurde, um sich in der Folge weiter Hartz IV zu sichern. Nur wenn dies der Fall sei, könne das Jobcenter bei solch einem »sozialwidrigen Verhalten« das Geld wieder zurückfordern.

Falsche Berechnung der Hausnebenkosten durch das Jobcenter

Leben Hartz-IV-Bezieher mit ihren nicht hilfebedürftigen Eltern zusammen in einem Eigenheim, kann das Jobcenter unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem zur vollen Übernahme der Hausnebenkosten verpflichtet sein. Dies geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. November 2012 hervor (Az. B 14 AS 36/12 R).

Normalerweise müssten die Nebenkosten auf die einzelnen im Haus lebenden Personen aufgeteilt werden, befand das Bundessozialgericht. Davon gebe es jedoch Ausnahmen. Wenn der Hilfebedürftige das Haus von seinen Eltern überschrieben bekommen und ihnen dafür im Gegenzug ein mietfreies lebenslanges Wohnrecht inklusive der Übernahme der vollen Nebenkosten vertraglich zugesichert habe, müsse das Jobcenter die gesamten Nebenkosten erstatten.

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