Banane statt Wohnung

Ein Gerichtsentscheid zu Münchens Party-Meile lässt den Mieterverein scharf protestieren

  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Wohnungseigentümerin kann nicht dazu gezwungen werden, ihre Räume an der Münchner Party-Meile, der sogenannten Feierbanane, als Wohnräume zu vermieten, meint das Verwaltungsgericht. Für den Mieterverein ist diese Rechtsauffassung ein Skandal.

München (dpa/nd). Wo richtig gefeiert wird, da ist es laut. Zu laut, sagte eine Hausbesitzerin in München. Ihr Haus liegt nämlich an der sogenannten Feierbanane - der Party-Meile in der Innenstadt, an der in den vergangenen Jahren ein Club nach dem anderen eröffnet hat. In ihrer Wohnung wolle darum heute niemand mehr leben, sie sei unvermietbar. Und genau das wollte sie sich jetzt vom Verwaltungsgericht bestätigen lassen.

Partylärm, Schlägereien und Drogen vertreiben aus ihrer Sicht potenzielle Mieter - und das selbst in München, wo Wohnraum so knapp ist wie wohl in keiner anderen deutschen Stadt. Darum wollte die Vermieterin die Stadt per Gerichtsbeschluss zu einem sogenannten Negativattest bewegen, damit sie es schriftlich hat: Wohnen an der Feierbanane ist unzumutbar. Mit einem solchen Attest könnte sie die Wohnräume gegebenenfalls als Büro- oder Praxisräume vermieten, was sie bisher nicht durfte.

Protest vom Mieterverein

Das Münchner Verwaltungsgericht gab der Frau am Montag in der Sache weitgehend Recht. Es empfahl der Stadt München die Ausstellung des fraglich Negativattests, auch wenn wegen eines fehlerhaften Antrags kein offizielles Urteil erging. In seinen Ausführungen stützte sich das Gericht allerdings nicht auf Feierlärm, Partydreck und Kriminalität, sondern auf die generelle Beschaffenheit der Wohnumgebung. Es handle sich um ein sogenanntes »faktisches Kerngebiet«, sagte die Richterin. Weil Wohnen dort ohnehin nur in Ausnahmefällen möglich sei, könne man die Eigentümerin nicht zwingen, ihre Räume weiterhin als Wohnraum vermieten zu müssen. An der Feierbanane, die sich als 1,2 Kilometer langer, quasi bananenförmiger Bogen vom Sendlinger-Tor-Platz bis zum Maximiliansplatz zieht, sind nach Polizeiangaben am Wochenende bis zu 15 000 Menschen unterwegs.

Der Münchner Mieterverein hat die Position des Verwaltungsgerichts scharf kritisiert. »Für die Not einer Vermieterin, ihre Wohnung in bester Innenstadtlage wegen angeblichem Feierlärms nicht vermieten zu können, fehlt mir komplett das Verständnis«, sagte Vereinssprecherin Anja Franz am Dienstag. »Dann muss eben die Miete gesenkt werden. Junge Leute und Studenten haben sicher großes Interesse an einer Wohnung in einer derartigen Lage.«

»Der Wohnungsmarkt in München ist leer gefegt. Es müssen Wohnungen gebaut, aber vor allem müssen existierende Wohnungen als solche auch genutzt werden können«, sagte Franz und warnte vor Zuständen wie in Paris und London: »Mieter werden an den Stadtrand gedrängt, in der Stadt ist Wohnen nicht mehr möglich. Es ist zu befürchten, dass nun auch Vermieter von Wohnungen in anderen Ausgehvierteln ein solches Negativattest begehren.«

Was tut die Stadt?

Ob die Stadt sich der Argumentation des Gerichts anschließen und das geforderte Negativattest ausstellen wird, blieb zunächst noch offen. Die Stadt werde die Sache prüfen, sagte ein Vertreter. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Empfehlung des Gerichts sei jedoch kein Freibrief für alle Wohnungseigentümer an der Feierbanane, betonte der Vertreter der Stadt. Da müsse jeweils im Einzelfall entschieden werden. In der Verhandlung hatte er zuvor die »prekäre Wohnungssituation« in München betont.

Um der Lage auf der Party-Meile Herr zu werden, haben Polizei, Kreisverwaltungsreferat und Club-Betreiber Ende 2012 die Initiative »Cool bleiben, sicher feiern« ins Leben gerufen. Gemeinsame Hausverbote soll es geben und die Polizei kann auffälligen Feierwütigen sogar verbieten, den kompletten Party-Bereich zwischen 22 Uhr abends und 7 Uhr morgens zu betreten.

Solche Party-Sorgen gibt es übrigens nicht nur in München. »Probleme zwischen Nachtschwärmern und Anwohnern gibt es in ganz Deutschland«, sagt Robert Pollack vom Ordnungsamt der Stadt Nürnberg - und seit die Sperrstunde in Bayern gefallen sei, gebe es auch mehr davon. Ein besonders intensiver Streit hat sich um die Gustavstraße in Fürth hochgeschaukelt.

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