Wieder auf Anfang

23 Prozent: zur Glaubwürdigkeitskrise der Sozialdemokraten

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war der 13. November 2009, die Sozialdemokraten hatten sich in Dresden zum Parteitag versammelt um die Wunden der Bundestagswahl zu lecken und einen neuen Aufbruch zu organisieren. Sigmar Gabriel hielt damals eine viel beachtete Rede, er sprach über die Fehler der SPD, über die damit zusammenhängenden Herausforderung, über eine „linke Mitte“, die mehr, die anders sein sollte als jene des Gerhard Schröder. Mit dessen Politik, mit dessen Stil, mit dessen Namen war ein Niedergang verbunden worden, der die Sozialdemokraten auf 23 Prozent hatte abstürzen lassen.

Genauso wie heute, ein paar Monate vor der nächsten Bundestagswahl. Am Dienstag haben "Stern" und Forsa eine Umfrage veröffentlicht, die SPD hat darin noch einmal zwei Prozent verloren - und sie steht wieder bei 23 Prozent. Börsianer würden wahrscheinlich von Bodenbildung sprechen, die 23 Prozent sind so etwas wie die magische Untergrenze, eine Art demoskopischer Mindestwert der Sozialdemokraten. Jedenfalls bis jetzt. Forsa-Chef Manfred Güllner, man muss seine Kommentare mit einiger Vorsicht genießen, da der Mann ein so bekanntes wie schwieriges Verhältnis zur SPD pflegt, sagt: Die potenziellen Wähler „ducken sich weg und mögen sich nicht zu ihrer Partei bekennen“.

Warum? Wegen Peer Steinbrück? Weil Angela Merkel so toll ist? „Wir haben eine historische Niederlage erlitten, obwohl wir in einer Zeit leben, die geradezu nach sozialdemokratischen Antworten schreit“, hatte der Parteivorsitzende Gabriel damals in Dresden gesagt. Die SPD müsse sich „die Zeit nehmen, zu prüfen, woran es denn gelegen hat, dass die Mehrzahl der Deutschen in allen Umfragen sozialdemokratische Antworten auf die Krise geben oder sie fordern, der Sozialdemokratischen Partei bei der letzten Bundestagswahl aber nicht geglaubt hat, dass wir diese Antworten wirklich geben wollen“.

Dabei ist es geblieben. Die SPD mag sich hier und da selbst geprüft, sie mag auch Vorschläge reaktiviert und sich programmatisch korrigiert haben. Man kann kaum abstreiten, dass es - zumindest rethorisch - eine Rücklbesinnung auf eher linke Themen und Forderungen gegeben hat. Und doch glauben ihr nur 23 Prozent, dass die Sozialdemokraten „diese Antworten wirklich geben wollen“. Die SPD ist wieder auf Anfang. Ganz unten.

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