Gipfel einigt sich auf Sparbudget

Neue EU-Mittelausstattung fällt drei Prozent kleiner aus

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Beim EU-Gipfel in Brüssel haben Nettozahler wie Deutschland und Großbritannien einen Sparkurs durchgesetzt. Bis zum Schluss wurde um Details gerungen.

Die Koalition der Sparwilligen hat gesiegt: Erstmals in der Geschichte der EU haben sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs auf einen neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) geeinigt, der niedriger ausfällt als der auslaufende. 960 Milliarden Euro sollen die EU-Einrichtungen zwischen 2014 und 2020 ausgeben dürfen. Das sind drei Prozent weniger als im laufenden Haushalt und 13 Milliarden Euro weniger als der Kompromiss vorsah, der zuletzt bei dem gescheiterten Novembergipfel auf dem Tisch lag. Neben Deutschland und Großbritannien hatten Schweden und die Niederlande auf Einsparungen gepocht. Das Ergebnis sickerte am Freitagmorgen an die Öffentlichkeit.

Doch der Betrag von 960 Milliarden Euro ist Augenwischerei, denn er bezieht sich nur auf die Ausgaben, die die EU in den kommenden Jahren höchstens machen soll. Tatsächlich werden die Mitgliedsstaaten nur gut 908 Milliarden Euro in den gemeinsamen Topf einzahlen. Würden dann alle EU-Programme so laufen, dass 960 Milliarden Euro benötigt werden, entstünde ein Defizit von 52 Milliarden Euro.

Kaum waren die Pläne bekannt, hagelte es Kritik. Im ZDF-Morgenmagazin sprach EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) von einem »Täuschungsmanöver« und kündigte das Veto der Europa-Abgeordneten an. Das Defizit verstoße gegen geltendes EU-Recht. Es ist das erste Mal, dass das Europäische Parlament beim Budget mit seinem Veto drohen kann. Die Zustimmung der einzigen von der Bevölkerung direkt gewählten Institution der Union ist seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages Ende 2009 nötig.

Schon im laufenden MFR gibt es ein strukturelles Defizit von rund 50 Milliarden Euro. »Faktisch treiben die Mitgliedsstaaten die Europäische Union so in die Verschuldung«, kommentierte Alexander Alvaro (FDP), Vizepräsident der EU-Volksvertretung die Budget-Unterfinanzierung.

Die Staats- und Regierungschefs schienen sich der Gefahr des Parlamentsvetos bewusst. Am frühen Nachmittag hieß es unter anwesenden Journalisten im EU-Ratsgebäude, dass erste Telefongespräche zwischen Rat und Parlament geführt würden, um das Nein zu verhindern.

Doch auch die Lage der lautstark protestierenden Europa-Abgeordneten ist unbequem. Würden die Abgeordneten dem Sparhaushalt letztlich doch zustimmen, geriete ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr. Andererseits könnten die Abgeordneten schnell am Pranger stehen, wenn sie durch ein Veto den MFR - und damit die ganze EU - blockieren würden.

Nach fast 26-stündigem Verhandlungsmarathon wurde am Freitagnachmittag auch bekannt, in welchen Bereichen Einsparungen vorgenommen werden sollen. Die Agrarausgaben werden größter Posten bleiben, aber leicht auf unter 40 Prozent der Ausgaben sinken. Zweitgrößter Block bleibt die Strukturförderung, auf die künftig knapp ein Drittel des Finanzrahmens entfällt. Kürzungen treffen auch die Verwaltung. Dies kommt den sogenannten Nettozahlern wie Deutschland und Großbritannien entgegen. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, Hannes Swoboda, bedauerte gegenüber »nd«, dass Investitionen in Infrastruktur und die Förderung von Beschäftigung »nicht zu den Prioritäten der EU-Länder gehören«.

Großbritannien, Deutschland, Schweden und die Niederlande haben auch die Beibehaltung ihrer Beitragsrabatte durchgesetzt. Seite 8

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