Wahlkampf im Vatikan
Ingolf Bossenz über die letzten Auftritte Benedikts
Die Sonne schien, da sie keine Wahl hatte, auf nichts Neues.» Zwar macht sich die Sonne derzeit noch rar, aber wenn sie dieser Tage Rom bescheint, erfüllt sich die Sentenz aus Samuel Becketts Roman «Murphy» vollauf. Es ist, als wolle Papst Benedikt XVI. das Neue, Überraschende, das seinem angekündigten Amtsrücktritt innewohnt, mit dem Alten, Abgenutzten, Abgestandenen gleichsam legieren, um ja auch nur den Anschein einer wirklichen Wende zu vermeiden.«
Beim Angelus-Gebet am Sonntag zeichnete das Kirchenoberhaupt sein bekanntes Bild, dass »der Geist des Bösen versucht, uns vom Weg zu Gott abzubringen«. Auch wenig konkrete Erscheinungsformen dieses Bösen wie »Hochmut und Egoismus« wurden von Joseph Ratzinger in seinem Aufruf zum »spirituellen Kampf« bemüht. Bereits in den Tagen davor wetterte der Pontifex gegen »religiöse Heuchelei«, »Individualismus und Wetteifer«, »Sünden gegen die Einheit der Kirche« und beklagte sogar, dass die Kirche durch Spaltungen unter den Christen und innerhalb des Klerus »entstellt« sei. Die Philippiken seiner letzten Tage als Papst erinnern sehr an die Rede des damaligen Kurienkardinals Ratzinger vor den versammelten Wahlberechtigten beim Einzug ins Konklave im April 2005: Heute wie damals beschwört er die Vorstellung einer von schlimmsten Stürmen heimgesuchten Una Sancta. 2005 brachte ihn das auf den Stuhl Petri. Knapp acht Jahre später macht er damit wieder Wahlkampf - für einen Nachfolger in seinem Geist und Gusto.
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