Irrelevante Weise
Kurt Stenger über den »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung«
Der »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung« (SVR) ist zwar 49 Jahre alt geworden. Die Politik feiert trotzdem schon das runde Jubiläum. So genau will ohnehin keiner mehr wissen, was bei den fünf Wirtschaftsweisen los ist. Die Überreichung des Jahresgutachtens mit wirtschaftspolitischen Vorschlägen an die Regierung ist kaum mehr als ein Ritual ohne Folgen. Von der postdemokratischen Realpolitik wurde das Gremium längst überholt. Wer heute etwas bewegen will, benötigt Netzwerke bis in die Machtzentren hinein. Und am besten schreibt man die Gesetze selbst.
Dass sich die Weisen dem Lobbyismus verweigern und eher auf wissenschaftliche Expertise setzen, spricht natürlich für sie. Allerdings hat es das Gremium schon seit den 1970ern dem Ökonomen-Mainstream gleichgetan, der jenseits (neo-)liberaler Dogmen nichts mehr gelten ließ. Ob Niedriglöhne, Sozialkürzungen, Deregulierung - all dies wurde als alternativlos gepredigt. Die Finanzkrise machte auch das Versagen solcher Wissenschaft deutlich. Fortschrittliche Perspektiven werden anderswo diskutiert, etwa im jährlichen Gegengutachten der linkskeynesianischen Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Auch von der Debatte über Wachstumskritik und sozial-ökologische Transformation blieben die Weisen unbeleckt. SVR heißt auch: selbstverschuldeter Relevanzverlust.
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