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Tarifliche Normalitäten

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Beschäftigten fordern 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber bieten 0,9 Prozent bei gleicher Laufzeit. Mehr sei nicht drin. Die Beschäftigten sehen das als Provokation, rufen zum Warnstreik und demonstrieren beim Arbeitgeber vor der Tür. Eine ganz normale Tarifrunde, oder?

Fast. Denn die rund 750 Beschäftigten, für die ver.di streitet, arbeiten beim DGB-Rechtsschutz, einer 100-Prozent-Tochter des DGB. In einem Punkt sind sich Karlheinz Schierle, Personalleiter und einer von zwei Verhandlungsführern beim DGB-Rechtsschutz, und sein Gegenüber, ver.di Verhandlungsführer, Gerd Denzel, einig: Es ist eine ganz normale Tarifrunde. Seit der Ausgliederung im Jahr 1998 ist der Rechtsschutz ein eigenständiges Unternehmen. Tarifrunden gab es schon einige, einen Warnstreik wie letzten Dienstag indes noch nie.

Die Beschäftigten sagen: Der DGB-Rechtsschutz bekommt 40 Prozent der Mitgliedsbeiträge, die DGB-Gewerkschaften haben im Schnitt 2012 mehr eingenommen, also ist die Lohnerhöhung drin. Die Arbeitgeberseite sagt, das ist alles noch unklar, in den letzten Jahren hat es gute Lohnsteigerungen gegeben, und mehr ist eben nicht drin.

Die Gewerkschaften stehen als Arbeitgeber unter besonderer Beobachtung. Gerade sie sollten auskömmliche Gehälter zahlen, gerade sie sollten das Prinzip der »Guten Arbeit« verinnerlicht haben, oder nicht? Wenn man hört, dass die Beschäftigten beim Rechtsschutz weniger verdienen als ihre KollegInnen bei IG Metall und ver.di, wirkt das befremdlich. Die Medien stürzen sich auf den scheinbar ungewöhnlichen Vorfall und reiben den Gewerkschaften ihre eigenen Ansprüche unter die Nase. Das wiederum kratzt an der Glaubwürdigkeit, kann für die Gewerkschaftsbewegung insgesamt schädlich sein.

Nun könnte schon bald weiterverhandelt werden - wohl mit einem neuen Angebot der Arbeitgeber. Auf ihnen liegt derzeit der Druck der Öffentlichkeit, nicht als Gewerkschaftsunternehmen und »typischer« Arbeitgeber dazustehen. Das wiederum hilft den Beschäftigten, und ver.di versteht es, das öffentlich auch gut zu verkaufen. Fazit: Her oder hin, es ist eine ganz normale Tarifrunde, und wir sagen: Arbeitgeber, bewegt euch!

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