Volksabstimmung über Abzocker

Schweizer Initiative will Boni-Höhen begrenzen und Aktionärsrechte stärken

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Schweizer Anti-Boni-Initiative will die Managergehälter viel radikaler beschneiden, als es die EU plant.

In der Schweiz wird am Sonntag ein Ja der Bürger zum Anti-Boni-Vorschlag der »Abzockerinitiative« erwartet. Die Initiatoren um den Familienunternehmer Thomas Minder wollen die »Bereicherung« von Managern stoppen und fordern »ein Verbot von Abgangsentschädigungen, Begrüßungsmillionen und Prämien beim Kauf oder Verkauf von Firmen«. Im Unterschied zur EU-Boni-Regelung wird keine Deckelung flexibler Vergütungen für Banker auf die Höhe des Grundgehalts angestrebt. Stattdessen wollen die Eidgenossen die Millionensaläre aller Manager radikal beschneiden und setzen auf mehr Aktionärsdemokratie.

Schon zwei Jahre vor Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007 gründete der aus Schaffhausen am Rhein stammende Kosmetikfabrikant und Politiker Thomas Minder die »Eidgenössische Volksinitiative gegen die Abzockerei«. Den Impuls dafür hatten anstößig hohe Managergehälter gegeben. Zudem erkennen Minder und seine Mitstreiter in der Abzocke einen Grund für die Finanzkrise: Angestellte Bankbosse kassierten immer höhere Einkommen für immer größere Risiken, die sie im Namen der Bank eingingen. Sie hafteten aber nicht, als die Blasen platzten.

Der marktwirtschaftliche Ansatz erklärt die breite Zustimmung von Liberalen, rechtskonservativer SVP und Mittelständlern. Aber auch Gewerkschafter und Grüne, die sozialdemokratische SP und Teile der kommunistischen Partei der Arbeit unterstützen die Initiative. Diese Breite macht einen Abstimmungssieg und eine parlamentarische Umsetzung möglich.

Unfreiwillige Hilfe bekam die Initiative vom Ex-Chef des Pharmariesen Novartis, der sich sein Ausscheiden mit knapp 60 Millionen Euro vergolden lassen wollte. Angesichts öffentlicher Kritik verzichtet Daniel Vasella nun darauf. Die Debatte dürfte Minder weitere Unterstützer gebracht haben.

Eine heftige Gegenkampagne beschwört dagegen den Untergang des Finanzplatzes Schweiz herauf. Dessen Bedeutung für die Alpenrepublik ist nur vergleichbar mit der »City« für Großbritannien. Doch die Kontrakampagne wirkt schon deshalb blass, weil die Berner Regierung in der Krise schärfer durchgriff als etwa die Regierung Merkel. So sind die Eigenkapitalanforderungen - aus Sicht linker Ökonomen der Kern jeder Bankenregulierung - wesentlich höher als in der EU. In der Schweiz hält man die schärfere Regulierung mittlerweile für einen Wettbewerbsvorteil, denn sie macht Banken sicherer.

Der Forderungskatalog der »Boni-Rebellen« (FAZ) umfasst 24 Punkte. Sie zielen auf eine Teildemokratisierung der Konzerne. Im Mittelpunkt steht eine Ausweitung der Aktionärsrechte. Auch in der Schweiz beruht die Macht großer Finanzakteure wesentlich auf dem Depotstimmrecht: Fondsgesellschaften, Versicherer und Bankkonzerne vertreten jeweils mit nur einer Person hohe Stimmanteile auf Aktionärstreffen. Die geballte Macht stammt meist von wohlhabenden und institutionellen Kunden, die ihre Wertpapiere in die Depots von Banken legen und ihre Stimmrechte abtreten.

Daher verfügen in vielen Hauptversammlungen der Top-Aktiengesellschaften zwei Handvoll Vertreter multinationaler Finanzkonzerne über etwa 90 Prozent der Stimmen. So bestimmt ein kleiner Kreis auch über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates und regiert den Vorstand. Tausende anwesende Kleinaktionäre sind dagegen machtlos. Eine Abschaffung des Depotstimmrechts würde auf Hauptversammlungen zum ur- demokratischen Prinzip »Ein Mensch, eine Stimme« führen und die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse, so hoffen die Initiatoren der Abzockerinitiative, grundlegend verändern.

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