Gestrenger Schulmeister

Trainer Mircea Lucescu will mit Schachtjor Donezk auch Erfolge in der Champions League - heute gegen Borussia Dortmund

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 2004 bestimmt Mircea Lucescu als die sportlichen Geschicke bei Schachtjor Donezk - als Trainer und Manager. Mit dem Geld des Oligarchen Rinat Achmetov formte der Rumäne ein Team, das national überlegen ist und jetzt auch in der Champions League Erfolge will. Nach dem 2:2 im Hinspiel tritt Donezk heute bei Borussia Dortmund an.

Vielleicht ist so ein Flugzeug ja standesgemäß. Auf jeden Fall wirkte der orangefarbene Airbus 320 eindrucksvoll, mit dem die Delegation aus Donezk bereits am Sonntag auf dem Dortmunder Flughafen eingeschwebt ist. Die überpünktliche Anreise belegte, wie wichtig dem ukrainischen Serienmeister Schachtjor Donezk das heutige Rückspiel im Achtelfinale der Champions League bei Borussia Dortmund ist.

»Wir sind gekommen, um zu gewinnen«, rief der Brasilianer Luiz Adriano frohgemut aus. Es gibt indes auch Mitglieder aus der Reisegruppe, die eine gedämpftere Tonart bevorzugen. Dazu zählt fraglos Mircea Lucescu, jener ältere Herr mit den grauen Strubbelhaaren, der eigentlich den Prototypen eines gestrengen Schulmeisters abgibt. Im Grunde ist der Rumäne das ja bei Schachtjor Donezk auch.

Im Donbass-Becken macht keiner Karriere, der nicht die Zuneigung von Rinat Achmetov genießt, doch der 67-jährige Fußballlehrer bringt das Kunststück fertig, dem System des Oligarchen einerseits zu dienen und sich andererseits eine Unabhängigkeit zu bewahren. Sichtbar wird das bei jedem Pressetermin, bei dem der kauzige Rumäne in seiner Landessprache parliert und meist ein Dolmetscher simultan übersetzt. Er kann Englisch, Französisch oder Italienisch - Ukrainisch oder Russisch aber mag er nicht sprechen.

»Das letzte Ergebnis hat uns für den Trip nach Dortmund Selbstvertrauen gegeben«, sagte Lucescu. Er meinte damit nach ewiger Winterpause das erste Punktspiel seit Dezember, das Schachtjor gegen Wolyn Luzk mal wieder mit spielerischer Leichtigkeit 4:1 gewann. In der heimischen Liga hat der von Achmetov generös alimentierte und überaus professionell aufgestellte Klub keine Gegner mehr. Das ärgert Lucescu mehr, als er eigentlich zugeben will. Der Vorsprung auf den Zweitplatzierten beträgt jetzt schon 13 Punkte.

Lucescus Vorgänger als Trainer hießen Nevio Scala und Bernd Schuster, und sie schafften es nicht, die verschiedenen Mentalitäten von Fußballprofis aus unterschiedlichsten Kulturkreisen zusammenzubringen. Der zuvor als Wandervogel verschriene Lucescu bekommt diesen Spagat seit 2004 in einer Doppelfunktion als Trainer und Manager hin. Donezk ist seitdem sechsmal Meister, viermal Pokalsieger und vor allem 2009 Gewinner der letzten Auflage des Uefa-Cups geworden. Nach dem 2:1 gegen Werder Bremen offenbarte Lucescu damals in Istanbul viele Emotionen - Arm in Arm stakste er mit Ach-metov durch den bunten Konfettiregen, schleppte freudestrahlend den Pokal und trank auf der Siegesfeier sogar Champagner daraus.

Doch längst dürstet diesem leidenschaftlichen Motivator nach Erfolgen in der Champions League. Und wenn er am Spielfeldrand nicht immer impulsiv wirkt, dann hat das damit zu tun, dass ihn vor dreieinhalb Jahren im Schweizer Trainingslager ein Herzinfarkt ereilte. Nach der Operation verkündete er sein Karriereende, ließ sich aber schnell vom Weitermachen überzeugen. Und selbst ein Autounfall in seiner rumänischen Heimat konnte ihm nichts anhaben, denn: »Fußball ist meine Droge, das wird niemals aufhören.«

Unter Lucescus Regie spielt Schachtjor das siebte Mal in der Königsklasse. Gleichwohl: Nur 2011 langte es bis zum Viertelfinale, wo der spätere Sieger FC Barcelona das Stoppschild setzte. »Wir wollen in dieser Saison einen Schritt nach vorne machen«, hat Lucescu stets verkündet. Insofern wäre es fahrlässig, sein eingespieltes Ensemble auf die leichte Schulter zu nehmen. Gerade seine brasilianische Bande und der flinke Armenier Genrik Mkhitaryan können überfallartige Attacken inszenieren, an denen jeder Trainer seine Freude hätte. Und nichts würde der Delegation aus Donezk besser gefallen, als auf dem Rückflug eine rauschende Party zu feiern.

Mircea Lucescu

Foto: AFP/Hecker

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