Schlechter Deal

Fabian Lambeck über die Entscheidung des BVerG zu »Verständigung im Strafprozess«

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 1 Min.

Nun haben die Karlsruher Verfassungsrichter also der »Verständigung im Strafprozess« ihren Segen erteilt. Auch wenn sie gleichzeitig einschränken, dass informelle Absprachen unzulässig seien, ist jetzt klar: Solange das Zustandekommen des Deals ordentlich dokumentiert wird, ist er auch verfassungsgemäß. Das heißt, wer ein Geständnis ablegt, kann auf ein mildes Urteil hoffen. Nicht nur für die Beklagten bringt das Vorteile. Auch die häufig überlasteten Richter und Staatsanwälte sind meistens nur allzu gern bereit, sich auf so ein Geschacher einzulassen, weil sie sich viel Arbeit sparen können oder weil die Ermittlungen in eine peinliche Sackgasse geraten sind.

Geradezu exemplarisch ist da der Fall des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff. Kaum war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Hannover ihre Vorwürfe gegen das ehemalige Staatsoberhaupt verschärfen wollte, bietet sie ihm einen Deal an: Wulff soll 20 000 Euro zahlen. Im Gegenzug stellt man die Ermittlungen ein. So wahren beide Seiten das Gesicht. Die Staatsanwälte können auf die empfindliche Geldbuße als Strafe verweisen und Christian Wulff bleibt - zumindest juristisch gesehen - straffrei.

Was sich für alle Beteiligten als Win-Win-Situation darstellt, hat einen großen Schönheitsfehler: Letztendlich bleibt ungeklärt, ob die Vorwürfe stimmen. Kurz gesagt: Das Bundesverfassungsgericht entbindet die Justiz von der Pflicht zur Wahrheitssuche.

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