Die Akzeptanz unter den Ethnien wächst

Am Tag gegen Rassendiskriminierung denkt Südafrika an das schwere Erbe der Apartheid

  • Markus Schönherr, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute ist der Internationale Tag gegen Rassendiskriminierung. In Südafrika fragt sich eine Nation: Wie viel Rassendenken steckt 18 Jahre nach dem Ende der Apartheid noch in dem Staat am Kap?

»Junge Buren glauben, dass sie ihre Frauen oder ihre Kinder besitzen.« Diese Aussage sorgte in Südafrika für nationales Aufsehen, denn sie stammte von Familienministerin Lulu Xingwana. Kritiker forderten ihren Rücktritt. Sie sei nicht mehr tragbar, da sie im multiethnischen Südafrika über einzelne Volksgruppen urteile.

Dagegen meint Franz Jooste, in Südafrika könne man nur zweierlei sein: entweder ein Rassist oder blind. Nach dem Ende der Apartheid war der 57-jährige Bure aus den Streitkräften ausgeschieden, heute betreibt er ein paramilitärisches Trainingslager. Sein »Kommandokorps« ist einer von etwa einem Dutzend rechtsradikaler Militärvereine in Südafrika. Als Gefahr für eine stabile Demokratie gelten die heute nicht mehr.

Während Schwarze, Weiße, Coloureds, Indians/Asians und andere Gruppen heute politische Freiheit genießen, hat die Apartheid vor allem in der Wirtschaft Spuren hinterlassen. Es gibt einige schwarze Millionäre, die die Jahre nach der Apartheid genutzt haben. Doch die Wirtschaft blieb im Kern in den Händen einer weißen Elite und die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wuchs. Das spiegelt sich im Einkommen wieder: Auf das reichste Zehntel der Bevölkerung entfällt mehr als die Hälfte des Volkseinkommens, dem ärmsten Viertel bleiben gerade einmal 3,3 Prozent.

In afrikanischen Boomstaaten, etwa Nigeria oder Kenia, brachte das Wachstum eine stabile Mittelschicht hervor. In Südafrika dagegen bröckelt die Mitte: Regierungsangaben zufolge schrumpfte das Einkommen der Mittelschicht im vergangenen Jahr, während das der Elite erneut stieg. Für die 11,5 Millionen Südafrikaner, die unter der Armutsgrenze leben, änderte sich nichts. Die Ungerechtigkeit führt immer häufiger zu sozialen Spannungen - wie im vergangenen August, als die Arbeiter der Marikana-Mine den Aufstand übten und 34 Bergleute bei den Protesten umkamen.

Die Regierung unter dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) will der wachsenden Ungleichheit entgegenwirken. Mit dem »Broad-Based Black Economic Empowerment« sollen alle ehemals unterdrückten Ethnien wirtschaftlich gestärkt werden. Gibt es für einen Posten zwei gleich kompetente Arbeiter, soll der Bewerber aus der früher benachteiligten Bevölkerungsgruppe bevorzugt werden. Giles Harris in Kapstadt sieht sich als Opfer dieses Gesetzes. Er ist Mitte 50, männlich und weiß - derzeit die schlechtesten Voraussetzungen für ein Bewerbungsgespräch. Kritikern zufolge schaffe die Regierung damit wieder, was sie eigentlich zu bekämpfen suchte: Ausgrenzung nach Rasse. Selbst Desmond Tutu wettert gegen den ANC: »Was nützt schwarze Stärkung, wenn sie nicht der breiten Masse hilft, sondern nur einer kleinen Elite?«

Das Land am Kap scheint noch auf seinem Weg zur Selbstfindung. Immerhin ist die Akzeptanz zwischen Schwarz und Weiß heute so groß wie nie zuvor, wenn es nach Ralph Mathekga geht. Der Johannesburger Politologe warnt vor »gelegentlichen ausländerfeindlichen Attacken«, registriert aber seit 1994 keine ethnischen Konflikte. »Der Großteil der Südafrikaner lebt heute in Städten, und das führt zu einem großen Maß an Toleranz.«

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