Im Alter gemeinsam statt einsam

Wohngemeinschaften für Rentner

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17,8 Millionen Rentner werden 2020 in Deutschland leben und wohnen. In der Studie »Wohnungsmangel in Deutschland« prognostiziert das Pestel Institut, dass vor allem altersgerechte barrierefreie Wohnungen knapp werden könnten - sowohl bei Miet- als auch bei Eigentumswohnungen.

Für die Generation »Baby-Boomer« - die geburtenstarken Jahrgänge ab 1950 - ist es höchste Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie und wo sie als Rentner leben möchten.

Die Optionen sind vielfältig. Nahezu jedermann möchte auch im Alter möglichst selbstbestimmt leben und wohnen. Eine maßgebliche Voraussetzung dafür ist, dass die Wohnsituation zumindest barrierearm ist. Dazu gehört ein altersgerecht umgebautes Badezimmer, das man bei Bedarf auch an einem Rollator gehend oder im Rollstuhl sitzend noch nutzen kann. Breitere Türen, stufenfreie Zugänge zur Wohnung oder ein Treppenlift fürs Erreichen der oberen Stockwerke sind weitere bauliche Veränderungen, die man mit Blick auf körperliche Gebrechen im Alter rechtzeitig planen und vornehmen sollte.

Neue Wohnmodelle braucht das Land

Denn Wohnungen - egal ob Miet- oder Eigentumswohnungen -, die diesen Anforderungen gerecht werden, sind im Bestand kaum vorhanden. »Deshalb wird der altersgerechte Umbau bestehender Häuser und Wohnungen in den kommenden Jahren einen der wichtigsten Bereiche in der Finanzierung von Modernisierungsmaßnahmen darstellen«, prognostiziert Alexander Nothaft vom Verband der Privaten Bausparkassen.

»Wir haben keinen Wohnungsmangel - nur Wohnungen für einen anderen Bedarf«, unterstreicht auch Dr. Henning Scherf die Notwendigkeit, viele Wohnungen altersgerecht zu sanieren. Der ehemalige Bremer Oberbürgermeister ist Jahrgang 1938 - beschäftigt sich aber seit nahezu drei Jahrzehnten mit der Frage, wie er sein »Altersleben gestalten« will. Impuls gebend dafür war sein an Parkinson erkrankter Schwiegervater, der mit Ende 70 ins Heim kam. »Damals habe ich aus der Nähe erlebt, wie elend die Angebote für alte Menschen am Ende ihres Lebens waren«, schreibt Scherf im Vorwort seines neuen Buches »Altersreise. Wie wir alt sein wollen«.

Insgesamt acht Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenprojekte hat er in den vergangenen zwei Jahren besucht. Für ihn lautet die Lebensmaxime: »Gemeinsam statt einsam«. Scherf lebt bereits seit Jahren in einer »Senioren-WG« - einer Wohnform, die sich immer mehr Menschen für ihren dritten Lebensabschnitt wünschen.

Doch das gemeinschaftliche Wohnen im Alter, über Verwandtschaftsgrenzen hinweg, will gut durchdacht und geplant sein. Eine Grundsatzfrage ist zum Beispiel, ob man sich - nach studentischem Vorbild - das Leben in einer Wohngemeinschaft oder doch lieber eine Hausgemeinschaft vorstellen kann. »Viele Einfamilienhäuser eignen sich sicherlich für eine Senioren-WG, müssen aber dafür in der Regel erst einmal barrierefrei umgebaut und saniert werden«, erklärt dazu der Bausparexperte Alexander Nothaft. Er rät daher, diese Maßnahmen vorausschauend zu planen - sowohl für die Umbaumaßnahmen selbst als auch deren Finanzierung. Dabei gibt er zu bedenken, dass viele ältere Menschen keinen hohen Kredit mehr aufnehmen wollen und sich bei vielen Banken mit diesem Wunsch vermutlich auch nicht leicht täten. Wer rechtzeitig mit einem Bausparvertrag vorspare, könne den Kreditbedarf deutlich senken und sich die heute niedrigen Zinsen dafür sichern.

Die Senioren-WG im barrierefrei umgebauten Einfamilienhaus hat jedoch zur Konsequenz, dass jeder Bewohner in der Regel nur über ein oder zwei eigene Zimmer verfügt und sich das Badezimmer unter Umständen mit seinen Mitbewohnern teilen muss. Wer im Alter dagegen weiterhin seine eigene, abschließbare Wohneinheit haben möchte, wird statt einer Wohn- wohl eher eine Hausgemeinschaft bevorzugen. Der Gemeinschaftsbereich - zum Beispiel die Küche und ein großer gemeinschaftlicher Wohn- oder Essensraum - wird von allen genutzt. Ruhe- und Rückzugsort ist für jeden Bewohner die eigene Wohnung oder sein Appartement. Häuser, die diese WG-Konstellation zulassen, sind allerdings im Bestand noch kaum zu finden. Doch zahlreiche Neubauprojekte und das Umdenken der Städteplaner lassen hoffen.

Gutes Altersleben will wohl organisiert sein

Für viele Hausbesitzer könnte dieser Entschluss jedoch bedeuten, dass sie im Alter ihr Eigenheim gegen eine Eigentumswohnung in der Senioren-Hausgemeinschaft eintauschen. »Senioren-WGler« Henning Scherf geht sogar noch einen Schritt weiter und kann sich als Infrastruktur für ein gutes Altersleben »eine Mischung aus professionellen und ehrenamtlichen Kräften, einer dezentralen Versorgung unter Mithilfe von Nachbarn, Freunden und Verwandten - gesteuert und koordiniert von einem Quartiersmanagement« vorstellen.

Mit der Generation der »Baby-Boomer« kommt auf die Gesellschaft eine nie dagewesene Anzahl von Senioren zu, die aktiv ihr Altersleben gestalten werden. Soziologen sind sich einig, dass dabei das Ziel »Gemeinsam statt einsam« häufiger außerhalb der Familien durch neue Beziehungs-, Freundschafts- und Wohngemeinschaftskonstellationen stattfinden wird. Städteplaner, Architekten und Bauherren werden in den kommenden Jahren individuelle und bezahlbare Wohnideen entwickeln, damit möglichst viele Rentner der Generation »Baby-Boomer« - unabhängig von ihrer Einkommenssituation - für ihr aktiv gestaltetes Altersleben auch die geeigneten Häuser und Wohnungen finden, betont Nothaft.

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