»Wir werden auch weiter fossile Kraftwerke als Brückentechnologie benötigen«

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Die Energiewende gerät in den Medien immer mehr zum Schreckensszenario: zu teuer, zu unsicher, schlecht für den Standort Deutschland. Vor allem die schwarz-gelbe Koalition bläst zur Jagd, um die von einer Mehrheit gewollte Energiewende schlecht zu machen. Was ist dran an den vielen Mythen, Lügen und Argumenten, mit denen die Öffentlichkeit aktuell bearbeitet wird? Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt den gängigen Behauptungen in einer von Wolfgang Pomrehn verfassten Broschüre Antworten entgegen – was es wirklich auf sich hat mit dem »Armutsrisiko Energiewende?«, lesen Sie hier täglich in einer nd-Reihe.

»Wir werden auch weiter fossile Kraftwerke als Brückentechnologie benötigen« (Hannelore Kraft, SPD-Ministerpräsidentin, 25. Mai 2012)

Die Behauptung:


Der Widerstand gegen den Braunkohletagebau und gegen Kohlekraftwerke schadet der Energiewende, denn ohne neue Kohlekraftwerke kommt es zu einer wirtschaftlich schädlichen Stromlücke.

Die Fakten:

Es stimmt, dass der Strombedarf in Deutschland auf absehbare Zeit nicht allein mit Windkraft- und Solaranlagen gedeckt werden kann. Wind- und Solarstrom fallen wetterbedingt unregelmäßig an. Für die Zeiten, in denen Windräder und Solaranlagen keinen Strom produzieren, müssen Speicher und andere Kraftwerke bereitstehen.

Kohlekraftwerke sind aber nicht nur besonders klimaschädlich, sie sind für diese Aufgabe der Überbrückung auch denkbar ungeeignet. Hierfür werden flexible Anlagen benötigt, die schnell zum Einsatz kommen können. Braunkohlekraftwerke – und übrigens auch Atomkraftwerke – sind aber zu schwerfällig im Betrieb. Technisch sind sie für häufiges Hoch- und Herunterfahren gar nicht ausgelegt.

Mit Abstrichen gilt das auch für Steinkohlekraftwerke, die sich außerdem ökonomisch nicht rechnen, wenn sie nicht mindestens 6.000 von den 8.760 Stunden, die das Jahr hat, im Betrieb sind. Hinzu kommt, dass die neuen Großkraftwerke, wie sie zum Beispiel von Vattenfall in Hamburg-Moorburg oder GDF Suez in Wilhelmshaven gerade gebaut werden, viel zu groß sind, als dass ihre Abwärme sinnvoll verwendet werden könnte. Über die Hälfte der in der Kohle enthaltenen Energie wird so ungenutzt an die Umwelt abgegeben.

Daher wäre es wesentlich sinnvoller, kleine dezentrale Kraftwerke zu bauen, deren Abwärme zum Heizen und für Warmwasser genutzt werden kann. Das Problem ist nur, dass diese in Deutschland nicht zum Geschäftsmodell der Großkonzerne passen. Hierfür bedarf es einer politischen Entscheidung. So hat das Nachbarland Dänemark bereits in den 1990er Jahren den Bau von Kraftwerken verboten, die nicht zugleich auch ihre Abwärme nutzen. Die optimale Lösung wären kleinere Gaskraftwerke, die zugleich Fern- und Nahwärme liefern. Erdgas, das größtenteils aus Methan und ein wenig Wasserstoff besteht, hat den Vorteil, dass es von allen fossilen Brennstoffen die geringsten Treibhausgasemissionen pro erzeugter Kilowattstunde verursacht. Außerdem lässt es sich leicht mit aufbereitetem Biogas und eines Tages vielleicht auch mit synthetisiertem Methan ergänzen. Letzteres könnte mit überschüssigem Strom erzeugt werden.

Stattdessen machen die schwarz-gelbe Bundesregierung wie auch wesentliche Teile der SPD weiter Werbung für Kohlekraftwerke. Milliardensummen werden in eine veraltete Technik gesteckt, die als großer Bremsklotz auf dem Weg zu einer vollständigen Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energieträger wirkt. In Wilhelmshaven wird zum Beispiel rund eine Milliarde Euro verbaut, in Profen in Sachsen-Anhalt plant die Mibrag eine ähnliche Summe für ein Braunkohlekraftwerk ein, und das neue Braunkohlekraftwerk von RWE im rheinischen Neurath, das im Spätsommer 2012 in Betrieb ging, hat 2,6 Milliarden Euro gekostet.

Die von Wolfgang Pomrehn verfasste Broschüre »Armutsrisiko Energiewende?« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.

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