Geldverstecke offengelegt

Von Playboy Gunter Sachs bis Post-Chef Zumwinkel: 2,5 Millionen Datensätze über Steueroasen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Das weltweite Recherchenetzwerk »Offshore-Leaks« will 130 000 Personen aus mehr als 170 Ländern nennen, die ihre Vermögen in Steueroasen verschoben haben. Experten halten den Schaden durch legale Steuervermeidung für größer als den durch Betrug.

Ein globales Datenleck könnte Reiche, Waffenhändler und Oligarchen teuer zu stehen kommen - und die Diskussion um internationale Steuergerechtigkeit beflügeln. Reporter haben ein System aufgedeckt, mit dem Vermögen in Steuerparadiese verschoben wurde. Bislang vertrauliche Dateien aus einer anonymen Quelle zeigen diverse Briefkastenfirmen und geheime Trusts, in denen Reiche und Kriminelle große Vermögen verstecken und zweifelhafte Geschäfte verschleiern. 130 000 Personen aus mehr als 170 Ländern werden in den Unterlagen aufgelistet. Prominentester Fall ist der in Franken geborene Schweizer Gunter Sachs.

Der Millionenerbe und Ehemann von Brigitte Bardot soll über Jahrzehnte Gelder in Steueroasen in der Südsee und der Karibik versteckt haben. Sachs gebot mit Hilfe von Beratern über ein Gewirr von Beteiligungen: »Offshore« - also vor der Küste - auf Eilanden wie den Britischen Jungferninseln, aber auch in Panama, Liechtenstein und Luxemburg. Sachs soll dort Millionen in Scheinfirmen mit klingenden Namen wie Triton Limited, Espan Water Trust oder Parkland Oak deponiert haben. Solche Konstruktionen dienten in anderen Fällen der Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Dass sich der 2011 verstorbene Sachs oder seine Erben damit strafbar gemacht haben, verneinen seine Nachlassverwalter allerdings.

Seit Jahren bemühen sich OECD und EU, die Flucht des großen Geldes in Steueroasen einzudämmen. Laut einer 2012 erschienenen Studie der britischen Nichtregierungsorganisation »Tax Justice Network« werden in Steueroasen umgerechnet bis zu 25 Billionen Euro gebunkert. Dadurch sollen den Staaten Einkommensteuern von über 200 Milliarden Euro entgangen sein.

In vielen Fällen dürfte es sich bei denen von »Offshore-Leaks« aufgedeckten Fällen jedoch um legale Geschäfte handeln. Vor allem die USA und auch die europäischen früheren Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien nutzen abhängige Inselstaaten als gesetzmäßige Steuerparadiese für die eigenen Wirtschaftseliten und Konzerne. Andere Länder wie die Schweiz und EU-Mitglied Österreich profitierten zumindest bis vor kurzem von Niedrigsteuern für Geldtransfers über die offenen europäischen Grenzen. Jüngst geriet der Fall der EU-Finanzoase Zypern in den Fokus: Eine laxe staatliche Aufsicht, großzügige Ausnahmeregelungen bei der Bemessungsgrundlage für Steuern und ein Unternehmensbesteuerungssatz von nur zehn Prozent (Deutschland rund 30 Prozent) lockten das große Geld an. Eine internationale Angleichung der Steuerberechnungen würde Billionen Dollar, Euro und Pfund in die Haushaltskassen spülen. Ein Report für die EU-Kommission beziffert das legale Steuerschlupfloch allein für Deutschland auf rund 190 Milliarden Euro - und das pro Jahr.

Für den Fotografen Sachs organisierten namhafte Anwälte und Banken sein Offshore-Imperium. Unbekannt war dieser Mechanismus auch bislang nicht. Durch den Kauf von Kundendaten aus Banken in Liechtenstein und der Schweiz waren beispielsweise Fahnder abertausenden deutschen Steuerbetrügern wie dem früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel auf die Schliche gekommen. In einem anderen Fall zahlte die Deutsche Bank 550 Millionen Dollar an US-amerikanische Behörden wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung für US-Bürger.

Nun werden neue Namen auftauchen und für Experten interessante Details. Die Datenmenge aus insgesamt zehn Steueroasen umfasst immerhin 2,5 Millionen Dokumente. Auch Hunderte deutsche Täter sollen sich in den Daten finden. Weitere Einblicke haben der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und die »Süddeutsche Zeitung« für die kommenden Tage angekündigt. Beide Medien gehören »Offshore-Leaks« an, einem weltumspannenden Rechercheprojekt, an dem Journalisten und Medien aus über dreißig Ländern beteiligt sind. Unter Führung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington haben sie über neun Monate hinweg die Daten zweier Firmen ausgewertet. Die Ergebnisse sollen in nächster Zeit die Schattenwelt im Steuerdschungel erhellen.

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