Für vier Euro in die Oper

Hannovers »Aktiv-Pass« hilft sozial Schwachen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Unbürokratisch fördert das rot-grün regierte Hannover das kulturelle Leben sozial schwacher Menschen mit einem »Aktiv-Pass«. Dieser werde gut angenommen, so zog die Verwaltung der niedersächsischen Landeshauptstadt jetzt Zwischenbilanz.

Einen »Rechtsanspruch aufs Mitmachen« beschere das Bildungspaket den Kindern bedürftiger Eltern. Das meint Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Doch ihr Paket ist von Bürokratie umschnürt. Will etwa eine Mutter, die Hartz IV-Leistungen bezieht, ihren Sohn beim Sportverein anmelden und für den Beitrag monatlich zehn Euro aus dem Bundesprojekt bekommen, muss sie ein Formular ausfüllen, einen Antrag stellen. Dass es auch anders geht, beweist die von SPD und Grünen geführte Stadt Hannover. Sie übernimmt ohne Formalismus bis zu zehn Euro des Monatsbeitrags. Der Junge muss beim Sportverein nur den »Hannover-Aktiv-Pass« (HAP) vorlegen. Ihn bekommen alle sozial schwachen Menschen in Hannover ganz automatisch, ohne Antrag.

Eine Million Euro

Rund 90 000 der für jeweils zwölf Monate gültigen Pässe werden seit 2009 jährlich ausgegeben, berichtet Hannovers Sozialdezernent Thomas Walter. Menschen, die in der Stadt wohnen, dort Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Grundsicherung beziehen sowie AsylbewerberInnen bekommen den Pass unaufgefordert zugeschickt. Ein vergleichbares Angebot in Niedersachsen sei nicht bekannt, heißt es im Rathaus.

Die Einsatzmöglichkeiten des Passes sind umfangreich. Für einen Besuch im Hallenbad beispielsweise zahlen erwachsene Besitzer des HAP statt 3,50 nur einen Euro. Eine Aufführung im Opernhaus, dessen Tickets regulär zwischen 18 und 61 Euro kosten, ist schon für vier Euro und zehn Cent zu erleben. Das Gleiche gilt für das Schauspielhaus des Staatstheaters. Mehrere freie Theater gewähren sogar kostenlosen Eintritt. Gut eine Million Euro hat die Stadt mittlerweile ausgegeben, um Einnahme-Ausfälle auszugleichen, die den jeweiligen Einrichtungen durch die Sonderkonditionen für HAP-Nutzer entstehen.

Für die Mitgliedschaft in vielen Jugendverbänden übernimmt Hannover jährlich bis zu 120 Euro Beitragsgeld pro Passbesitzer. Möchten Kinder und Jugendliche mit dem Ferienservice der Stadt verreisen, etwa für 14 Tage an die Nordsee, kostet sie das nur die Hälfte des regulären Preises. Auch Kurse der Volkshochschule sind mit HAP billiger.

Günstige Fußballkarten

In ihrem Haushalt für 2013 hat die Stadt unter dem Stichwort Aktiv-Pass rund 585 000 Euro Ausgaben veranschlagt. Ein beachtlicher Teil des Geldes dürfte wieder den Sportvereinen zufließen, denn laut Sozialdezernent Walter ist es ein wesentliches Ziel des Passes, Kindern und Jugendlichen durch Sport »Bewegung und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen«. Dank des HAP brauchten 2012 rund 1800 junge Menschen in Sportvereinen keine Beiträge zu zahlen - dies tat die Stadt mit insgesamt 192 000 Euro.

Ab September 2013 erhalten auch alle Empfänger von Wohngeld den Pass. »Das sind rund 15 000 zusätzliche Berechtigte«, so Thomas Walter. Eine gute Nachricht hat er für alle Fußballfans unter den HAP-Besitzern parat: Ihnen will der Bundesligist Hannover 96 künftig ein begrenztes Kontingent verbilligter Eintrittskarten zu den Heimspielen bieten. Das, meint der Sozialdezernent, trage mit dazu bei, dass der »Aktiv-Pass« auch künftig ein Erfolgsmodell sein wird, nicht zuletzt durch seinen »niederschwelligen Vergabemodus« - ganz ohne Bürokratie.

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